Schweizer Revue 3/2021

Schweizer Revue / Juni 2021 / Nr.3 21 Reportage Reine Imagination Mit seinen 300 Bands war es das grösste Musikfestival, das in der Schweiz je angesagt wurde. Und das Ghost-Festival, so sein Name, klang sehr extrem, denn es wurde organisiert, um gar nicht stattzufinden. Dennoch kauften Zehntausende Fans für bis zu 100 Franken ein Ticket. Ein Experiment der reinen Imagination, ein Spektakel der stummen Stimmen. MARC LETTAU Festivalplakate sehen oft so aus: Name steht neben Name, in fetten Lettern die Stars, in viel kleinerer Schrift die Sternchen. Seit Monaten hängen in der Schweiz keine solchen Plakate: Die Kulturlokale sind geschlossen, die Festivals abgesagt. Wir kennen den Grund. Doch Anfang Jahr hängt es plötzlich überall, das Plakat, das alles auf ein- mal verspricht. Stephan Eicher! James Gruntz! Züri West! Lo&Leduc! Stefa- nie Heinzmann! Streng alphabetisch geordnet und ohne jede typografische Hervorhebung werden 300 Bands an- gesagt, grosse, kleine, kleinste. Ein helvetischer Superlativ. Ghost-Festi- val nennt sich das Event. Die Plakate werden angeschlagen, obwohl landesweit Treffen mit mehr als fünf Personen verboten sind. Die Organisatoren verweisen auf ihr «aus- geklügeltes Schutzkonzept», das ihnen «bis zu acht Millionen Gäste» erlaube. Ihre Volte: Sie organisieren das Festi- val, um es genau am 27. und 28. Feb- ruar 2021 nicht stattfinden zu lassen: Höher, weiter, schnel­ ler, schöner? Auf der Suche nach den etwas anderen Schweizer Rekorden. Heute: Das grösste Schweizer Musik­ festival aller Zeiten, das nie stattfand. e trem Schweiz Das Ghost-Festival-Plakat vereint einen Querschnitt durch die Schweizer Musikszene ohne jede typografische Hierarchie.

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