Schweizer Revue 4/2021
Schweizer Revue / August 2021 / Nr.4 15 Reportage Pferdestärken-Kultauto von Citroën, sanft über exponiertes Bauernland: Wiesen in oft schwindelerregender Schräglage, die wie hellgrüne Inseln im dunklen Bergwald leuchten, auf ihnen verstreute, in den Abhang ge- baute Wohnhäuser, zwischen denen Landwirte mit Laubbläsern das ge- trockneteHeuzusammenstossen. Eine Strassenerschliessung gibt es nicht. Scheinbar aus der Zeit gefallene Seilbahnen wie diejenige auf das Eg- genbergli und die von den Urner Berg- wirten geschaffene Kulturlandschaft JÜRG STEINER Das Eggenbergli ist eine kleine Land- schaftsterrasse hoch oben an der stei- len Schattenf lanke des tief einge- schnittenen Schächentals, das vom Urner Hauptort Altdorf in die felsige Wildnis des Klausenpasses führt. Mo- torisiert ist das Eggenbergli höchstens von gewieften Bergbauern mit dem Geländemotorrad zu erreichen, aber mit dem Weiler Witterschwanden unten an der Klausenpassstrasse ver- bindenes zwei 1500Meter langeDraht- seile. Sie sind wichtige Lebensadern, denn an ihnen schwebt ein Verkehrs- mittel, das gleichzeitig historisch und innovativ ist. Die zwei kleinen Seilbahnkabinen, Baujahr 1953 und grün gestrichenwie Wald und Wiesen, sehen aus wie lie- bevoll gepflegte Ausstellungsstücke aus dem Oldtimermuseum. Vier Per- sonen können sich maximal auf die zwei Sitzbänke falten, das Gepäck kommt draussen auf eine Freiluftab- lage. Eine zweiarmige Aufhängung, dünn wie Spaghettiträger, verbindet die Kabinemit den vier Rollen auf dem Seil. Die Fahrt löst man als Passagier, mit Jetoneinwurf und Knopfdruck, selber aus. Wenn die Kabine strombe- trieben aus der Bergstation auf die steile Talfahrt gleitet, kippt sie ent- schlossen nach vorn, so dass einem der Atem stockt. Allerdings nur kurz. Dann schwebt man in einer Art aufgehängtem Döschwo, dem Zwei hängen eng zusammen. Das einewäre ohne das andere kaum denkbar. «Der Bau vieler Urner Kleinseilbahnen seit dem Zweiten Weltkrieg wurde vom kantonalen Meliorationsamt unter- stützt», sagt der Historiker Romed Aschwanden. Er ist Geschäftsführer des Instituts «Kulturen der Alpen», einer Aussenstation der Universität Luzern in Altdorf, die sich auch mit der Urner Seilbahnkultur befasst. Und zwar ziemlich originell: Unter ande- rem sammelt der Musikwissenschaft- ler Michel Roth im Schächental Ton Das luftigste Verkehrsnetz der Schweiz In keinem anderen Kanton fahren so viele skurrile kleine Seilbahnen über klaffenden Abgründen wie im bergigen Uri. Einst unverzichtbar für die Erschliessung abgelegener Bergbauernhöfe, dienen sie heute auch dem sanften Tourismus. Höher, weiter, schnel- ler, schöner? Auf der Suche nach den etwas anderen Schweizer Rekorden. Heute: auf Besuch in der Region mit der höchsten Seilbahn- dichte der Schweiz. e trem Schweiz
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