Schweizer Revue 4/2021
Schweizer Revue / August 2021 / Nr.4 23 gleichen. Dadurchmöchte er Benachteiligungen vermeiden und die Interessen der Schweiz wahren. Zudem will die Regierung die noch ausstehende Kohäsionsmilliarde nach Brüssel überweisen. Sie ist laut Cassis «die Eintrittsgebühr für denZugang zumBinnenmarkt» und soll gegenüber der EU ein versöhnliches Zeichen setzen. Das Parlament wird im September über die Freigabe des Betrags in der Höhe von 1,3 Milliarden Franken entscheiden. Die eidgenössi- schen Räte hatten die Zahlung im Dezember 2019 zwar im Grundsatz schon bewilligt, die Überweisung aber an die Bedingung geknüpft, dass die EU auf Strafmassnahmen gegenüber der Schweiz verzichtet. Erste Nadelstiche hat Brüssel inzwischen gesetzt: So sehen sich Firmen, die Medizinaltechnik exportieren, seit Ende Mai mit hohen administrativen Hürden bei der Zu- lassung ihrer Produkte imEU-Raumkonfrontiert. Dies ist eine direkte Folge des Scheiterns des Rahmenabkommens und nährt die Befürchtung, dass der barrierenfreie Zugang zum EU-Binnenmarkt nun weiter erodiert. Ungemach droht auch beim Zugang zum ForschungsprogrammHori- zon Europe. EineHerabstufung oder gar einAusschluss der Schweiz würde nicht zuletzt die Mobilität von Studieren- den und Forschenden bremsen. Vorläufig ganz vom Tisch sind neue bilaterale Abkom- men, etwa beimHandel mit Elektrizität. Auch ohne Strom abkommen sollte es in der Schweiz nicht zum Blackout kommen. Doch steigt das Risiko von kritischen Situatio- nen im Stromnetz, wenn die Netzbetreiber von Kooperati- onsplattformen der EU ausgeschlossen werden. Nicht alle Beobachter sehen pessimistisch in die Zu- kunft. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann geht davon aus, dass Brüssel letztlich auf einen pragmatischen Kurs einschwenken wird – wie schon bei den Verhandlun- gen mit dem abtrünnigen Grossbritannien. «Die EU und ihre Mitgliedsländer sind es gewohnt, mit Heterogenität umzugehen, Ausnahmen zuzulassen und pragmatische Vereinbarungen zu treffen», schrieb Straumann in der «NZZ am Sonntag». Das Online-Dossier der «Schweizer Revue» zum Thema Schweiz–Europa: http://revue.link/europadossier Dort ist auch die ausführliche Stellungnahme der Auslandschweizer-Organisation zu finden. Kommission «die Aufnahme eines politischen Dialogs zur Entwicklung einer gemeinsamen Agenda» vorgeschlagen, wie Aussenminister Ignazio Cassis erklärte. Zudem gehe man davon aus, dass die bestehenden bilateralen Verträge «weiterhin konsequent und problemlos» angewendet würden. Für die Auslandschweizerinnen und Ausland- schweizer ist vor allem die Sicherung der Personenfrei zügigkeit zentral. Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) befürchtet, dass mit dem Verhandlungsabbruch die Bleibe‑Rechte der rund 434000 in EU-Ländern lebenden Schweizerinnen und Schweizer gefährdet werden. Nadelstiche aus Brüssel Um den bilateralen Weg zu sichern, will der Bundesrat Schweizer Gesetze freiwillig ans europäische Recht an
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