Schweizer Revue 4/2021
Schweizer Revue / August 2021 / Nr.4 24 Politik Die Proteste junger Klimaaktivisten (wie hier in Bern) vermochte die Mehr- heit der Stimmenden nicht zu bewegen: Sie bodigte mit dem CO2-Gesetz das bis- lang wichtigste Ele- ment der Schweizer Klimapolitik. Foto Marc Lettau THEODORA PETER Eigentlich handelte es sich beim CO2 Gesetz um einen gutschweizerischen Kompromiss, der nach der grünen Welle bei dennationalenWahlen breit abgestützt schien. Trotzdem legte das Stimmvolk am 13. Juni mit 51,6 Pro zent Nein das Veto ein gegen die ge planten Massnahmen zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen. Eine knappe Mehrheit war offenbar nicht bereit, für Flugtickets oder Benzin tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Widerstand kamaber auch von Teilen der Klimajugend, denen die Massnah men im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung zu wenig weit gin gen. Gescheitert ist das CO2-Gesetz nicht zuletzt daran, dass es der FDP nicht gelang, ihre liberale Wählerba sis von einem Ja zu Lenkungsabgaben und staatlichen Eingriffen zu über zeugen. FDP-Präsidentin Petra Gössi, die den grünen Kurs der Partei mass geblich geprägt hatte (siehe «Revue» 5/2020), gab amTag nach demAbstim mungssonntag ihren Rücktritt be kannt, wies aber einen Zusammen hang mit demResultat von sich. Vor einem Scherbenhaufen steht auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga (SP). «Die Vorlage war vermutlich überladen und bot da durch viele Angriffsflächen», erklärte die Bundesrätin nach demUrnengang. DenVolksentscheid interpretierte die Bundesrätin aber nicht als grundsätz liches Nein zu mehr Klimaschutz. Trotzdemwerde es nun «sehr schwie rig», die Ziele des Pariser Klimaab kommens zu erreichen. Die Schweiz hat sich dazu verpflichtet, den Aus stoss schädlicher Treibhausgase bis 2030 zu halbieren und bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. «Ohne zusätzliche Massnahmen wird das kaum möglich sein», sagte Somma ruga. Kurzfristig setzt die Umweltmi nisterin auf die im Abstimmungs kampf nicht bestrittenen Instrumente, darunter zum Beispiel die Befreiung von Unternehmen von der CO2-Ab gabe, wenn sie in klimaschonende Lösungen investieren Hoffnung auf Gletscherinitiative Die Abstimmungsverlierer setzen ihre Hoffnung nun auf die Gletscheri nitiative. Das bereits im November 2019 eingereichte Volksbegehrenwill die Klimaziele des Pariser Überein kommens in der Verfassung fest schreiben und den Einsatz fossiler Energienwie Erdgas, Erdöl undKohle verbieten. Hinter der Initiative stehen nebst Umweltorganisationen Vertre ter aller Parteien ausser der SVP, die das CO2-Gesetz bekämpft hatte. Mit der Initiative und einemallfäl ligenGegenvorschlagwird sich in den nächsten Monaten zunächst das Par lament befassen, bevor sich das Volk zum Anliegen äussern kann. Weiter hat der Bundesrat eine Vorlage zur Förderung einheimischer und erneu erbarer Energien in Aussicht gestellt. Linksgrüne Parteien und die Kli mabewegung wollen die Banken und Versicherungen ins Visier nehmen. Schliesslich sei der Finanzsektor durch umweltschädliche Investitio nen einer der grössten Verursacher der Klimakrise. Ob dazu eine Volksi nitiative lanciert wird, war bei Redak tionsschluss noch offen. Die Jungen Grünen suchen ihrerseits Mitstreiter für eine «Umweltverantwortungsini tiative» zum Schutze der natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten. Bis Schweizer Stimmvolk bremst den grünen Trend Die Schweiz kommt vom bisherigen Klimakurs ab. Nach dem Nein des Stimmvolks zum verschärften CO2-Gesetz sind die Ziele des Pariser Klima-Abkommens noch schwieriger zu erreichen.
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