Schweizer Revue 4/2021

Schweizer Revue / August 2021 / Nr.4 29 via Arzt verordnet werden, damit die Krankenkasse zahlt. Nun erhält der Pflegeberuf mehr Kompetenzen. Die Mehr- heit in beiden Parlamentskammern war sich einig: Die Politik muss etwas tun, um den Fachkräftemangel zu be- heben. Es gebe Hinweise, dass die Berufsausstiegsquote nach der Pandemie noch zunehme, sagte die Tessiner SP-Ständerätin und Ärztin Marina Carobbio: «Die immen- sen Belastungen hatten einen grossen Einfluss auf die Ge- sundheit der Pflegefachpersonen.» Initianten gehen aufs Ganze Mit dem Gegenvorschlag haben die Urheberinnen und Urheber der Pflegeinitiative viel erreicht. Trotzdemhalten sie an der Initiative fest, wie sie vor den Sommerferien be- schlossen. Diese kommt am 28. November vors Volk. Die Initianten beharren auf den Punkten, die vom Parlament nicht berücksichtigt wurden, vor allem auf einer spürba- renVerbesserung der Arbeitsbedingungen. Es brauche ver- bindliche Vorgaben, wie viele Patienten eine Pflegefach- kraft pro Schicht maximal betreuen soll. Pflegevertreterin Yvonne Ribi sagt: «Was nützt eine Ausbil- dungsoffensive, wenn so viele aus dem Beruf aussteigen?» Es brauche den Bund, weil es auch um die Finanzierungs- mechanismen im Schweizer Gesundheitssystem gehe. Da werde die Pflege zuwenig abgegolten. Höhere Abgeltungen wünschen sich zwar auch die Gesundheitsinstitutionen. Dennoch ziehen sie den indirekten Gegenvorschlag vor. Stimmten Volk und Stände der Initiative zu, gehe der par- lamentarische Prozess von vorne los, und die dringenden Massnahmen gegen den Fachkräftemangel verzögerten sich um Jahre: Das schreiben die Verbände der Spitäler, Pflegeheime und Spitex in einer gemeinsamen Reaktion. Wird die Initiative an der Urne abgelehnt, tritt der Ge- genvorschlag in Kraft. Auch der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, der Basler Re- gierungsrat Lukas Engelberger (Die Mitte), verteidigt den Kompromiss. Personalschlüssel in den Betrieben könnten nicht von oben vorgegeben werden, zudem drohten hohe Kosten. Fest steht: Das Schweizer Pflegepersonal zählt jetzt auf die Unterstützung der Bevölkerung. Die Chancen ste- hen gut – nicht zuletzt wegen der Jahrhundertkrise Corona. Pflegende im Tessiner Kantonsspital La Carita umsorgen einen Corona-Patienten. Nach Monaten der dauernden Anspannung ist das Pflegepersonal körperlich, psychisch, emotional erschöpft. Foto Keystone

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