Schweizer Revue 5/2021
Schweizer Revue / Oktober 2021 / Nr.5 Gesehen 10 Granit Xhaka Xherdan Shakiri, Vladimir Petkovic Historische Tränen Das Bild berührte auch fern des Rasens: Das verweinte Gesicht des jungen Schweizer Fussballers Ruben Vargas zerfliesst auf dem kräftigen Bizeps seines Nationalmann schaftskollegen Xherdan Shaqiri, dahinter der väterliche Charakterkopf von Trainer Vladimir Petkovic, der das harte Aufwachen aus dem kleinen Schweizer Sommernachts traum schon verarbeitet zu haben scheint. Beinahe wäre der Coup geglückt. Die Schweiz hatte Spanien imViertelfinal der Europa meisterschaften in 120 Minuten ein 1:1 abge trotzt, die Entscheidung über das Erreichen des Halbfinals fiel im Elfmeterschiessen. Nicht nur bei Vargas versagten die Nerven, aber nach seinem Fehlschuss war es definitiv: Die Schweiz schied aus. Damit endete eine emotionale Reise, die im Juni 2021 unerwartet das halbe Land erwärmt hatte. Zu Beginn der EMwar die Beziehung der Schweiz zu ihrer multikulturellen Fussball Nationalmannschaft unterkühlt. Man sah in Petkovics Team vor allemWohlstandsschnösel, denen teure Autos und gefärbte Haare mehr bedeuten als das Rackern auf demRasen. Es genügten zwei Siege, und alles wurde gut. Die Schweizer warfen in einemmitreissenden Match gar den überheblichen Favoriten Frankreich aus dem Turnier. Und auf einmal war die zuvor gescholtene Elf in den Augen der Schweizer Öffentlichkeit eine coole Truppe, deren Einzug in den Viertelfinal gegen Spanien als historisch gefeiert wurde. Historisch? Nach der EM quittierte Trainer Petkovic, oft kritisiert und jetzt plötzlich hofiert, seinen Job als Couch der National mannschaft und zog nach Bordeaux. Und die historischen Tränen von Ruben Vargas waren bald Geschichte. JÜRG STEINER
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