Schweizer Revue 5/2021

Schweizer Revue / Oktober 2021 / Nr.5 17 Reportage 68,8 km hunderts schon die Stadtberner Bur­ ger angetan, die damals denmächtigs­ ten Stadtstaat Europas regierten. Auf einem der natürlichen Uetendorfer Aussichtshügel liess sich die Patrizier­ familie von Fischer den feudalen Landsitz Eichberg einrichten. Sie konnte sich so auch ein wenig Napo­ leon Bonaparte entziehen, der damit beschäftigt war, dieMacht der Adligen imAlten Bern zu beschneiden. Restschweiz im Silbermoos Es ist ein Zufall, dass rund 200 Jahre später das Bundesamt für Landesto­ pografie Uetendorf einen exklusiven Status zuwies: als denjenigen Ort in der Schweiz, der sich am weitesten weg von jeglicher Landesgrenze be­ findet. Sozusagen der späte Beweis, dass die von Fischers ihren noblen Rückzugsort intuitiv möglichst weit weg von fremdem Einfluss gewählt hatten. 69Kilometer Luftliniemüssteman zurücklegen, um von Uetendorf zur nächstgelegenen Landesgrenze zu kommen – weiter als von jedem ande­ ren Punkt der Schweiz. Plastisch be­ deutet das: Würde man die Schweiz parallel zu den Landesgrenzen Scheibe um Scheibe verkleinern, bliebe am Schluss Uetendorf zurück. Oder um genau zu sein: Das Silber­ moos vonUetendorf, eine eingezäunte Wiese, zurzeit der Landwirtschaft vor­ behalten, wäre der letzte Rest der JÜRG STEINER Es ist, als hätten die Naturkräfte vor ungefähr 14000 Jahren den land­ schaftlichen Rahmen dafür geschaf­ fen, dass aus Uetendorf ein besonde­ rer Ort wird. Der Aaregletscher zog sich Ende der letzten Eiszeit langsam zurück, und er formte dabei eine Landschaft aus kleinen Hügelzügen. Sie muten heute an wie natürliche Aussichtskanzeln, von denen ausman Uetendorfs Lage überblickt, über die Kein anderer Ort in der Schweiz befindet sich weiter entfernt von einer Landesgrenze als Uetendorf bei Thun im Kanton Bern. Ausgerechnet dort kann man aber neue Grenzziehungen einer typischen Schweizer Agglomerationsgemeinde beobachten. Höher, weiter, schneller, schöner? Auf der Suche nach den etwas anderen Schweizer Rekorden. Heute: auf Besuch in der grenzfernsten Ortschaft der Schweiz. e trem Schweiz Die Grenzen in weiter Ferne. Oder doch nicht? Ebene des Aaretals hinweg bis hinü­ ber nach Thun. ImRücken weiss man die schroffe Stockhornkette, und bei schönem Wetter komplettieren die Berner Alpen über demThunersee die Szenerie zu einem imposanten Ge­ samtbild. Von dieser optischen Gunstlage Uetendorfs waren Ende des 18. Jahr­ Das feudale Herrenhaus des Landsitzes Eich- berg der Berner Patrizierfamilie von Fischer. 68 880 Meter Luftlinie ist es vom Silbermoos bei Uetendorf bis an den nächstgelegenen Punkt der Landesgrenze.

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