Schweizer Revue 5/2021
Schweizer Revue / Oktober 2021 / Nr.5 18 Reportage Schweiz, wenn diese von denRändern her wegschmölze. Gleich gegenüber dem Silbermoos befindet sich ein Re- staurant namens «Réduit» – genauwie die Taktik, die von der Schweizer Ar- mee im Zweiten Weltkrieg bei einem Angriff angewandt worden wäre: sich zurückzuziehen von denGrenzen, um sich in den Bergen zu verschanzen. Der mentale Stadt-Land-Graben Die Auszeichnung der Grenzferne von Uetendorf und seinen 6800 Einwoh- nerinnen und Einwohnern mag eine Spielerei sein. Doch sie lenkt die Auf- merksamkeit auf einDorf, das typisch ist für die Entwicklung im schweize- rischen Mittelland. Blickt man von einem der Aussichtshügel über die aufgeräumten Häuserzeilen des steuergünstigen Uetendorf, erkennt man viele Konfliktlinien der moder- nen Schweiz: zwischen knappem Landwirtschaftsland und ausufern- dem Siedlungsgebiet, zwischen be- schaulichem Bauerndorf und brum- mender Industriezone, zwischen der Schweiz zu einem dominanten Faktor geworden ist. Hannes Zaugg-Graf bewegt sich als Politiker auf diesem heiklen Ge- lände. Seit 2010 sitzt er imBerner Kan- tonsparlament, erwar aber auch zwölf Jahre lang Gemeindepräsident von Uetendorf. Heute politisiert Zaugg für die Grünliberale Partei. Als er 2001 zum Uetendorfer Gemeindepräsiden- ten gewählt wurde, gehörte er der So- zialdemokratischen Partei (SP) an. Er erinnert sich, dass «einige den Unter- gang der Gemeinde befürchteten», als der erst gut 30-jährige Linke Zaugg plötzlich die sonst konservative Ge- meinde präsidierte. Doch als sich der kommunikative Jungpräsident im Amt bewährte, mischte sich auch Stolz über den personellen Modernisie- rungsschritt dazu. Bahn für die Burger Apropos forsche Modernisierungs- schritte: Sie prägten das vermeintlich behäbige Dorf, das mit einem Auslän- deranteil von sieben Prozent deutlich unter der nationalen Durchschnitts- marke von 25 Prozent liegt, entschei- ländlichem Bewahrungsgeist und ur- baner Dynamik. Uetendorf, weit weg vonder Landesgrenze, ist sehr nahe an einer der prägendstenmentalenGren- zen: dem Stadt-Land-Graben, der in der politischen Auseinandersetzung Uetendorf ist ganz ordentlich sortiert: Hier die Wohnzone, da die Industrie, hier die Äcker, dort die fernen Alpen. Und er – Hannes Zaugg (links) – liess Ueten- dorf doch nicht un- tergehen. Fotos z.arts.ch
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