Schweizer Revue 5/2021
Schweizer Revue / Oktober 2021 / Nr.5 21 ein Dorn im Auge. Gasser ist Urheber der Justiz-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt und einen radikalenWechsel verlangt: Bundesrichterinnen und -rich- ter sollen statt vomParlament durch das Los bestimmt wer- den. Somit wären sie keiner Partei verpflichtet und dadurch unabhängiger. Die Kandidaturen würden einzig von einer vom Bundesrat eingesetzten Fachkommission auf ihre fachliche Eignung geprüft. Mit dieser Systemänderungwill der Initiant verhindern, dass die Gerichte «still und leise zu einem Instrument der Parteien verkommen». Das Losver- fahren sei schon in der Antike von denGriechen praktiziert worden, umVersuchen von Bestechung oder Beeinflussung entgegenzuwirken. Mit seinem Vorschlag stösst Gasser in der Politik auf wenig Gegenliebe. Sowohl Bundesrat wie Parlament emp- fehlen die Volksinitiative unisono und ohne Alternative zur Ablehnung. Eine Richterwahl dem Zufall zu über lassen, schwäche die demokratische Legitimation der Justiz und damit die Akzeptanz von Gerichtsurteilen in der Bevölkerung, argumentieren die Gegner. Das heu- tige System sei zwar nicht perfekt, räumt der Präsident der parlamentarischen Gerichtskommission, Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR), ein. Doch das «institutionelle Immunsystem» habe Beeinflussungsversuche stets ab gewehrt, wie der Fall Donzallaz jüngst wieder gezeigt habe. Auch die Betroffenen lehnen das Losverfahren grund- sätzlich ab. Die Schweizerische Vereinigung der Richte- rinnen und Richter sieht aber durchaus Verbesserungs- bedarf. So könnte die Einführung einer einmaligenWahl die politischen Druckversuche bei periodischen Wieder- wahlen ausmerzen. Diese Praxis gilt heute bereits im Kanton Freiburg, wo Richter und Staatsanwälte auf un bestimmte Zeit gewählt werden, eine Abberufung aus wichtigen Gründen aber möglich bleibt. «Ein deutliches Zeichen für die Unabhängigkeit» wäre aus Sicht der Richtervereinigung auch die Abschaffung der Mandats- abgabe an die Parteien. Von der Ausarbeitung eines Ge- genvorschlags zur Justiz-Initiative wollten Bundesrat und Parlament aber nichts wissen. Nun hat das Volk an der Urne das letzte Wort. Justiz-Initiative: www.justiz-initiative.ch/startseite.html Schweizer Zahlen Papizeit! 78 Schweizer Väter nehmen sich gerne viel Zeit für ihre Kinder. Das sagen die allermeisten von sich selbst. Wir wollen ihnen glauben. Allerdings arbeiten in der Schweiz 78 von 100 Vätern mit Kindern im Alter von null bis drei Jahren Vollzeit. Nur 2 von 100 nehmen sich wirklich maximal viel Zeit – und schlüpfen ganz in die Rolle als Hausmann. 97 Die Aufteilung familiärer Pflichten fällt leichter, wenn Mann und Frau für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Laut der Uni St. Gallen ist das in 97 von 100 Schweizer Firmen der Fall: Sie zah- len Frauen faire Löhne. Nur: Befragt wurden einzig Firmen mit über 100 Angestellten und sie durften die Lohndaten selbst aufbereiten. 1512 Vielleicht sollten wir also die Statistik des Eidg. Büros für Gleichstel- lung nicht vorschnell beiseitelegen. Diese zeigt ein anderes Bild: Kon- kret verdienen in der Schweiz Männer in Vollzeitstelle im Schnitt 7968 Franken, Frauen dagegen 6456 Franken. Ein grosser Teil dieses Lohnun- terschieds von 1512 Franken ist «nicht erklärbar», also diskriminierend. 25 In der äusserst selten konsultierten Fotobuch-Statistik sehen wir für 2020: Je nach Anbieter wurden bis zu 25 Prozent mehr Fotoalben entworfen, bestellt, gedruckt und ausgeliefert. Der Lockdown liess Zeit fürs Schwelgen in Erinnerungen. Inzwischen beklagen die gleichen Anbieter einen enormen Einbruch bei den Bestellungen: Es fehlen all die bunten Hochzeiten und all die neuen Ferienfotos des Jahres 2020, die zu Papier gebracht werden sollen. 13 Mit den 13 Olympiamedaillen, die das Schweizer Team in Tokio holte, liegt die Schweiz in der Länderwertung auf Rang 24. Wer ein besseres Ergebnis will, muss anders rechnen: Würde der Erfolg in Bezug zur Einwohnerzahl berechnet, läge die Schweiz auf dem viel besseren 15. Rang: Pro 660 000 Schweizerinnen und Schweizer eine Medaille … ZAHLENRECHERCHE: MARC LETTAU
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