Schweizer Revue 5/2021

Schweizer Revue / Oktober 2021 / Nr.5 7 hingegen zu 86 Prozent aus Mitarbeitenden aus dem Inland. Die Uni­ versitätsspitäler Zürich und Lausanne hingegen setzen im Pflegebe­ reich deutlich stärker auf ausländische Arbeitnehmende, zu rund 60 respektive 50 Prozent. Auch Privathaushalte engagieren vermehrt Pflegerinnen aus Deutschland und Osteuropa. Diese Frauen stehen fast rund um die Uhr im Einsatz, verdienen vergleichsweise wenig und reisen nach ein paar Monaten in ihre Heimat zurück. DerWeg, die Lücken imPersonalbestandmit Fachkräften aus dem Ausland zu füllen, ist aus ethischen Gründen problematisch: Die Schweiz zählt auf Menschen, welche in anderen Staaten ausgebildet wurden – und dort fehlen. In Zukunft dürfte die Rekrutierung im Ausland schwieriger werden. Die Herkunftsländer bemühen sich nämlich verstärkt darum, ihre Fachleute zu behalten. Gleichzeitig wird in der Schweiz der Personalbedarf weiter deutlich ansteigen, unter anderemwegen der Alterung der Gesellschaft. Viel Wissen, wenig Autonomie Gemessen an der Anzahl der Pflegekräfte pro 1000 Einwohner steht die Schweiz imVergleichmit anderen Ländern gut da. Daraus auf eine vergleichsweise komfortable Situation des Berufsstands zu schliessen, sei aber falsch, sagt Rebecca Spirig, Professorin am Institut für Pflegewissenschaftder Universität Basel: «Entscheidend ist, wer alles mitgezählt wird undwie die Personen eingesetzt werden.» InDeutsch­ land beispielsweise ist dieWundversorgung erst vor wenigen Jahren der Pflege übergeben worden. In der Schweiz gehört es zur Grund­ ausbildung, Injektionen zu verabreichen und Infusionen zu legen. In denUSA sind sogenannte «Nurse practitioners» für die Erstversorgung der breitenBevölkerung zuständig. Und inHollandhat sichdas Modell «Buurtzorg» (Nachbarschaftshilfe)mit Pflege-Teams etabliert, die sich weitgehend selbst organisieren: Sie beraten, entscheiden, behandeln, koordinieren und ziehen bei Bedarf weitere Fachleute hinzu. Ärzte haben eine starke Rolle «Die Schweiz ist keine Vorreiterin», sagt Rebecca Spirig. Ihr Pflegesys­ temorientiere sich stark an der ärztlichen Expertise: «Die Pflegenden haben viel Wissen, können aber wenig selbst entscheiden.» Tatsäch­ lich braucht es selbst für niederschwellige Massnahmen wie das Tragen vonKompressionsstrümpfen eine ärztliche Verordnung. Dazu Mangelt es an Gesund- heitspersonal, kommt im Pflegealltag der menschliche Kontakt oft zu kurz. Wegen der Alterung der Gesell- schaft wird sich diese Tendenz weiter ver- schärfen. Foto Keystone

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