Schweizer Revue / Dezember 2021 / Nr.6 12 Natur und Umwelt MIREI LLE GUGGENBÜHLER Ein Jäger aus demKantonGraubünden zielt bei der Jagd in der Surselva (GR) auf einen Fuchs – und schiesst das Tier. Doch erlegt hat er nicht einen Fuchs, sondern einen männlichen Goldschakal. Dieser Vorfall ereignete sich vor fünf Jahren. Der Jäger erstattete nach der Verwechslung Selbstanzeige bei der Behörde – und der Kanton Graubünden teilte den Zwischenfall der Öffentlichkeit mit. So verboten die Erlegung des geschützten Tieres damals war und auch heute noch ist: In der Schweiz bildet der Vorfall den ersten ganz konkreten, physischenNachweis eines Goldschakals in der Schweiz. Vom Balkan Richtung Schweiz Dass der Jäger aus Graubünden den Goldschakal nicht auf Anhieb erkannt hat, verwundert eigentlich nicht. Denn: Der Goldschakal sieht dem Fuchs aus der Ferne nicht unähnlich. Er ist in etwa gleich gross, hat aber einen kürzeren Schwanz und längere Beine sowie ein goldgelbes bis graues Fell. Der hochbeinige Goldschakal ist die einzige Schakalart, die in Europa heimisch ist. Ursprünglich war er im asiatischen Raum und im Nahen Osten beheimatet und wanderte dann im vergangenen Jahrhundert in die Balkanländer ein. Die Ausrottung des Wolfs in den Balkanländern führte dazu, dass der natürliche Feind des Goldschakals mit der Zeit fehlte und er sichungehindert vermehrenkonnte. Die Schakalbestände auf dem Balkan sind deshalb sehr gross. Goldschakale leben in Familiengruppen, denRudeln. Die Jungtierewerden aber nach einer gewissen Zeit ausgeschlossen und müssen ein eigenes Territorium finden, um dann eine Familie gründen zu können. Aufgrund der hohen Dichte an Goldschakalen ist es für Jungtiere schwierig geworden, neue, eigene Reviere zu finden. Vor allem junge Männchen erobern sich deshalb neue Gebiete und legen dabei auch sehr weite Distanzen zurück. Der Goldschakal hat so seine Heimat immer weiter ausgedehnt: Vom Balkan her Richtung Westen bis in die Schweiz. Bereits 2011 war einGoldschakal in der Schweiz in eine Fotofalle geraten – und kurz vor dem illegalen Abschuss im Kanton Graubünden war der zweite fotografische Nachweis erfasst worden. Vor allem junge Männchen wandern in die Schweiz Diese fotografischen Beweisstücke, aber auch genetische Spuren oder gemeldete Beobachtungen des Goldschakals sind in den Computern der Stiftung für Raubtierökologie und Wildtiermanagement (Kora) in Muri (BE) gespeichert. Die dokumentierten Spuren zeigen eines auf: «In der Schweiz leben bisher nur jungeMännchen, die sehr mobil sind», sagt KoraGeschäftsführer Christian Stauffer. 2020 wurden von Kora sieben Fotonachweise oder genetische Spuren eines Goldschakals festgehalten. Hinzu kommen rund 16 Beobachtungen oder andere Spurnachweise. Dass sich der Goldschakal überhaupt in der Schweiz niedergelassen hat, ist eigentlich erstaunlich. Denn: Für Goldschakale sind die Lebensbedingungen in der Schweiz nicht sonderlich optimal. «Der Goldschakal wandert ja aus wärmeren Gegenden ein und ist nicht an Gebiete angepasst, in denen über längere Zeit Schnee liegt», sagt Christian Stauffer. Die Pfoten des Goldschakals sind denn auchnicht für das Gehen im Schnee geschaffen. Sie sind im Verhältnis zumGewicht kleiner als beim Fuchs und deshalb sinkt der Goldschakal im Schnee ein. Auch die starke Besiedelung in der Schweiz könnte es dem Goldschakal erschweren, hier den idealen Lebensraumzu finden, wie Reinhard Schnidrig, Leiter der Sektion Wildtiere und Artenförderung beim Bundesamt für Umwelt, sagt. Dennoch: Auch in der bergigen und dicht besiedelten Schweiz gibt es Räume, in denen sich der Goldschakal durchaus wohlfühlen dürfte. Als idealen Lebensraum bezeichnet Kora-Vertreter Christian Stauffer Schilfgebiete, wie sie etwa am Neuenburgersee vorkommen. Dort wurden denn auch bereits Goldschakalspuren nachgewiesen. In anderen, geschützten Feuchtgebieten wie dem Kaltbrunner Riet (SG) hat sich ebenfalls nachweislich ein Goldschakal aufgehalten. «Solche Gebiete gibt es in der Schweiz doch an einigen Orten. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass der Goldschakal an einem solchen Ort einst Junge aufziehen könnte», sagt Reinhard Schnidrig. Allerdings müsste es dafür erst zu Paarbildungen kommen. Und dies dürfte vermutlich noch etwas dauern. Denn: Ein Raubtier wandert in die Schweiz ein Vor zehn Jahren hinterliess der Goldschakal erstmals Spuren in der Schweiz. Heute ist klar: Das fuchsähnliche Raubtier fühlt sich besonders in den geschützten Feuchtgebieten der Schweiz wohl. Während der Goldschakal heimisch werden könnte, drohen andere Säugetiere ganz zu verschwinden.
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