Schweizer Revue / Dezember 2021 / Nr.6 20 Politik Lara und Delia geben sich in Regensdorf das Ja-Wort. Sie demonstrieren damit auch eine neue gesellschaftliche Normalität. Foto Keystone EVEL INE RUTZ Die Schweiz wandelt sich: Schwule und Lesben dürfen heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Sie werden heterosexuellen Eheleuten gleichgestellt und erfahren damit zahlreiche Verbesserungen; so etwa beimErben oder bei der Einbürgerung. Lesbischen Ehepaaren wird es zudemerlaubt, mittels Samenspende Eltern zuwerden. Beide Frauen werden ab Geburt als Mütter anerkannt. Das Kind kann die Identität des Samenspenders erfahren, sobald es 18 Jahre alt ist. Die «Ehe für alle» wird vonweiten Teilen der Bevölkerung unterstützt. 64,1 Prozent der Stimmberechtigten haben sich am 26. September für die Vorlage ausgesprochen. Alle 26 Kantone stimmten zu, was bemerkenswert ist. Selbst in konservativen Ständen haben die Ja-Stimmen überwogen. Besonders deutlich fiel die Zustimmung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aus: Fast 72 Prozent sagten ja. Im Sommer läuten die Hochzeitsglocken Bundesrätin Karin Keller-Sutter zeigte sich über diese «Anerkennung durch die Gesellschaft» erfreut. «Der Staat soll denMenschen nicht vorschreiben, wie sie ihr Privatleben zu gestaltenhaben», sagte sie. Das Zivilgesetzbuchwird voraussichtlich auf den 1. Juli 2022 angepasst. Ab dann können homosexuelle Menschen heiraten. Eingetragene Partnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden. Die reformierte Kirchewird ab diesemZeitpunkt ebenfalls Trauungen durchführen. In einigen Kantonen muss dafür allerdings noch die Kirchenordnung angepasst werden. Verzögerungen sind daher möglich. In der katholischen Kirche dürfte der Volksentscheid weniger Veränderungen anstossen. Der Wunsch nach Segensfeiern, wie sie mancherorts bereits stattfinden, dürfte zwar zunehmen. Forderungen, das Sakrament der Ehe für alle zu öffnen, dürften es aber schwer haben. Schwierige ethische und rechtliche Fragen Auf den Standesämternwerden gleichgeschlechtliche Paare künftig willkommen sein. Sie freue sich auf viele Hochzeiten, schreibt eine Aktivistin auf Twitter. Die LGBTQ-Bewegung spricht von einem «Meilenstein zur Gleichstellung». Die Schweiz führt die «Ehe für alle» vergleichsweise spät ein. Sie ist das 29. Land, welches diesen Schritt macht. Sie stützt sich dabei auf einen Volksentscheid und geht sogar weiter als andere Staaten, indemsie Frauenpaaren Zugang zur Samenspende gewährt. Die Eizellenspende und die Leihmutterschaft bleiben jedoch verboten. Die Bürgerlichen und dieMittewollen daran nichts ändern. Sie begründen diesmit den schwierigen ethischen und rechtlichen Fragen, welche die Verfahren aufwerfen. Die Sozialdemokraten teilen diese Zurückhaltung. Sie verlangen aber, auch die private Samenspende zuzulassen. Diese sei kostengünstiger und einfacher zugänglich, sagt Co-Chefin Mattea Meyer. Die Grünliberalen wollen die Eizellenspende legalisieren. Sie kritisieren die aktuelle Gesetzgebung, welche Samen- und Eizellen unterschiedlich beurteilt, als diskriminierend. «Da bei Vätern keine genetische Beziehung gefordert wird, ist nicht einzusehen, weshalb diese bei den Müttern verlangt werden soll», schreibt NationalrätinKatja Christ in einem Vorstoss. Die politische Bewegung Operation Libero will, dass auch Single-Frauen oder unverheiratete Paare von der Reproduktionsmedizin profitieren und Kinder adoptieren können. Die Rechtsordnungmüsse sich Schwule und Lesben können jetzt auch in der Schweiz heiraten Ja zur «Ehe für alle»: Diesen Entscheid fällten die Schweizer Stimmberechtigten ganz deutlich. Nun werden bereits weitere gesellschaftspolitische Forderungen laut. Etwa die Legalisierung der Eizellenspende. Oder Verbesserungen für Konkubinatspaare und für Singles.
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