Schweizer Revue / Februar 2022 / Nr.1 11 seinObjekt «Ich kenne keinWeekend». Der Maler Pablo Picasso wiederum verewigte den ikonischen Bouillonwürfel 1912 in seinem Bild «Paysage aux affiches». DenWürfel hatteMaggi 1908 auf denMarkt gebracht, und auch er entwickelte sich zum weltweiten Verkaufsschlager. Grösster Schweizer Gutsbesitzer Überzeugen von seinen Fertigprodukten musste Maggi nicht nur die Konsumentinnen, sondern auch die Bauern – und zwar als Rohstofflieferanten. «JuliusMaggi hatte Schwierigkeiten, in der Region genügend Gemüse für seine Produkte zu finden», erzählt die Historikerin. Die Bauern mussten zuerst von den neuen, mechanisierten Anbaumethoden überzeugt werden und standen der Lebensmittelindustrie skeptisch gegenüber. Schliesslich nahmMaggi denAnbau der Rohstoffe selber an dieHand. Er kaufte Land von Kleinbauern auf, denen er oft gleich eine Stelle in der rasch wachsenden Fabrikstadt in Kemptthal verschaffte. Mit über 400 Hektaren Agrarfläche war Maggi Anfang des 20. Jahrhunderts gar der grösste private Gutsbesitzer der Schweiz. Gleichzeitig entstanden eigenständige Fabriken und Verteilnetze in Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich. Julius Maggi starb 1912 im Alter von 66 Jahren. Nach seinem Tod wurde die Firma zu einer Holdingmit Niederlassungen in verschiedenen Ländern umgebaut. Die deutsche Tochtergesellschaftwar während des Zweiten Weltkriegs die grösste Lebensmittelproduzentin des «Reichs» und Grosslieferantin von Hitlers Armee. Als «nationalsozialistischerMusterbetrieb» setzte das Werk in Singen auch Zwangsarbeiter ein. Seit 1947 gehört Maggi zum Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Die Maggi-Würze wird mittlerweile in 21 Länder rund um den Globus exportiert. Produktionswerke stehen auch in China, Polen, Kamerun, der Elfenbeinküste und Mexiko. lieferte die verlangten Reime ab – so zum Beispiel: «Das wissen selbst die Kinderlein: MitWürzewird die Suppe fein. Darum holt das Gretchen munter, die Maggi-Flasche runter.» Doch der junge Lohndichter gab den Job nach achtMonatenwieder auf, weil er sich «mit Leib und Seele verschachert» fühlte, wie er in einem Brief an seine Mutter schrieb. Die gesammelten Originalmanuskripte vonWedekinds Maggi-Werbetexten finden sich heute in der Aargauer Kantonsbibliothek. «Influencer» alsWerbeträger gab es schondamals: Die Empfehlung für das Würzenmit Maggi fand bald Eingang in Kochrezepte – darunter in die Standardwerke der deutschen Kochbuchikone Henriette Davidis. Das Rezept der Würze selbst bleibt hingegen bis heute ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Grundzutaten sind pflanzliches Eiweiss,Wasser, Salz und Zucker, dazu kommen Aromen und Hefeextrakt. Nicht enthalten ist Liebstöckel, das viele mit dem Geschmack der Maggi-Würze in Verbindung bringen. Das Gewürzkraut wird deshalb im Volksmund oft auch «Maggi-Kraut» genannt. Maggi inspirierte auch Künstler: So verwendete Joseph Beuys die Flasche mit dem Flüssiggewürz 1972 für Julius Maggi, um 1890. Foto Archives Historiques Nestlé, Vevey Links: Fabrikarbeiterinnen wickeln die MaggiFlaschen vor der Auslieferung in weisses Papier ein. Rechts: Arbeiterinnen pflanzen bei Kemptthal Gemüsesetzlinge. Julius Maggi war einer der grössten Landbesitzer seiner Zeit. Foto Archives Historiques Nestlé, Vevey Buchhinweise: – Annatina Seifert: Dosenmilch und Pulversuppen. Die Anfänge der Schweizer Lebensmittelindustrie. Verlag Hier und Jetzt, 2008. – Alex Capus: Patriarchen. Über Bally, Lindt, Nestlé und andere Pioniere. Verlag dtv, 2007
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx