Schweizer Revue / Februar 2022 / Nr.1 12 Gesellschaft MIREI LLE GUGGENBÜHLER Wenn Pierre Biege am Morgen im Kanton Wallis losfährt, ist er zwei Stunden später in Bern an seinem Arbeitsplatz. Für schweizerische Verhältnisse ist das ein sehr langer Arbeitsweg. Pierre Biege, Geschäftsführer eines Modelabels, stört sich aber nicht daran. «Ich nutze die Zeit imZug zumArbeiten», sagt er. Pierre Biege wohnt in Albinen, einem kleinen Dorf auf 1300 Meter überMeer, amsonnigen Südwesthang in der Nähe des Kurorts Leukerbad. Das Dorf mit seinen eng verschachtelten, sonnenverbranntenHäusern liegt in einer Kulturlandschaft, welche zum Naturpark Pfyn-Finges gehört. Das Ortsbild des Dorfes gilt als besonders wertvoll und ist deshalb geschützt. Leben im Minihaus Hier, amDorfrand, leben Pierre Biege, seine Frau und die beiden Kinder in einem Tiny Haus. Das Haus, welches gerade mal 27 Quadratmeter umfasst, ist das einzige Kleinwohnhaus in Albinen. Ein solches aufzustellen, ist in der Schweiz nicht einfach. Denn: Die rechtlichenGrundlagen sind nicht auf Kleinwohnformen ausgelegt. In vielen Gemeinden ist der Bau solcher Häuser deshalb nicht möglich – etwa, weil sie das Ortsbild beeinträchtigen. In Albinen hingegen hat die Gemeinde den Bau des ungewöhnlichen Hauses ermöglicht. Pierre Biege ist deshalb, nach vielenWohn- undArbeitsjahren in diversen Schweizer Städten, wieder in das Dorf seiner Kindheit zurückgekehrt. «Hier können wir unseren Traum leben», sagt Pierre Biege. Das Engagement der Gemeinde hat einen Grund: Mit massiver Wohnbau- und Familienförderung will sie die Abwanderung stoppen und neue Einwohner ins Dorf holen. Seit den 1940er-Jahren hat die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner nämlich kontinuierlich abgenommen – von damals 370 Personen auf aktuell Für jedes Kind bezahlt die Gemeinde zusätzlich 10000 Franken. Eine vierköpfige Familie erhält so zumBeispiel 70000 Franken. Das Geld ist zweckgebunden undmuss für den Kauf, den Neu- oder Umbau einer Liegenschaft eingesetzt werden. DieMindestinvestition beträgt 200000 Franken und wer nicht zehn Jahre in Albinen bleibt, muss das Geld zurückzahlen. Junge wollen wieder mehr Junge im Dorf Die aktive Familien- und Wohnbauförderung ist auf die Initiative einer Gruppe junger Albinerinnen und Albiner zurückzuführen. Deren Engagement hat sich gelohnt: Seit Projektbeginn 2018 sind 19Gesuche eingereicht worden. Dahinter stehen insgesamt 38 Erwachsene und 11 Kinder. Die jungen Einzelpersonen, Paare oder Familien stammen sowohl aus demWallis wie auch aus anderen Kantonen in der Schweiz. Die Gemeinde hat bis jetzt Beiträge von 880 000 Franken gutgeheissen und damit Investitionen von 6,6 Millionen Franken ausgelöst. Wer ins Bergdorf zieht, erhält eine Geldprämie Im Kanton Wallis kämpfen diverse Berggemeinden gegen die Abwanderung der Dorfbevölkerung. Nun haben zwei Gemeinden die Geldprämie entdeckt: Familien, die nach Albinen oder Zeneggen ziehen, werden finanziell dafür belohnt. Albinen erlaubt auch alternative Wohnformen: Auffällig ist das Kleinsthaus von Pierre Biege und seiner Familie. Foto ZVG Albinens Gemeindepräsident Beat Jost: «Wir hatten Anfragen aus der ganzen Welt.» Foto Keystone 250. Um neue Einwohnerinnen und Einwohner zu gewinnen, zahlt Albinen seit 2018 Männern, Frauen und Kindern, die nach Albinen ziehen, einen Wohnbauförderungsbeitrag. Konkret erhalten Personen, die jünger als 45 Jahre alt sind und sich in Albinen niederlassen 25 000 Franken.
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