Schweizer Revue / Februar 2022 / Nr.1 24 Wirtschaft Kosten desjenigen in Denner-Filialen gehen könnte. Gar nicht gut kommt die geplante Liberalisierung beimBlauen Kreuz an. DieOrganisation, die sich für Abstinenz einsetzt, erachtet das Verbot alswichtigen Schutzwall für «trockene» Alkoholiker. Diese seien ständig inGefahr, in die alte Sucht zurückzufallen, wenn sie beim Einkaufen mit Bier-, Schnaps- und Weinflaschen konfrontiert werden. Damit riskiere die Migros, ihren Ruf als soziales und gesell- schaftsverantwortliches Unternehmen zu verlieren, kritisiert das Blaue Kreuz. Alleinstellungsmerkmal Bedenken äussert auch derWerber ThomasWildberger, der für den Detailhandelsriesen die Image-Kampagne «Die Migros gehört den Leuten» entwickelt hatte. Der Verzicht auf den Verkauf von Alkohol und Tabak sei ein Alleinstellungsmerkmal, das dieMigros populär gemacht habe, sagte Wildberger in einemZeitungsinterview. «Die Bevölkerung liebt die Migros genau für diese Andersartigkeit.» Diesen strategischen Vorteil sollte man aus Sicht des Marketingexperten nicht leichtfertig aufgeben. Das letzteWort ist ohnehin noch nicht gesprochen. Die Migros lässt ihre 2,2MillionenGenossenschafterinnen und Genossenschafter im Juni an einer Urabstimmung über die Aufhebung des Alkoholverbotes abstimmen. DenWeg dazu haben die Gremien der zehn regionalenGenossenschaften freigemacht. Für die Statutenänderung ist in jeder Region eine Zweidrittelsmehrheit der Abstimmenden nötig. Sie entscheiden letztlich, ob ab dem Jahr 2023 Bier, Wein und Spirituosen ins Sortiment der Migros-Filialen aufgenommen werden. Der orange Riese bricht mit einem Tabu Seit ihrer Gründung vor fast 100 Jahren verzichtet Migros auf den Verkauf von Wein, Bier und Schnaps. Das könnte sich bald ändern: Im Juni stimmen die 2,2 Millionen Genossenschaftsmitglieder über das Ende des Alkoholverbotes ab. THEODORA PETER Für die einen ist er ein «alter Zopf», für die anderen gehört er zur DNAdes grössten Schweizer Detailhändlers: der Verzicht auf denVerkauf vonAlkohol und Tabak. Migros-GründerGottfriedDuttweiler (1888–1962) schriebdas Verbot 1925 in die Statuten der Genossenschaft. Obwohl er selber gerne Wein trank und Zigarren rauchte, verzichtete Duttweiler aus Rücksicht auf die Volksgesundheit auf den lukrativen Verkauf legaler Rauschmittel. Gleichzeitig machte er alkoholfreieGetränkewieApfelsaftdurchEigenproduktionund massive Preissenkungen zum Verkaufsschlager. Ob der einstigeMigros-PatronWein und Bier auch heute noch aus den Läden verbannen würde, darüber lässt sich nur spekulieren. Gemäss Tondokumenten aus den 1950er-Jahren zweifelte er den Sinn einer Beibehaltung zumindest an. Alkohol bereits im Online-Shop Umgangen wird das Alkoholverbot beim orangen Riesen bereits heute. Kundinnen und Kunden finden Bier, Wein und Schnaps im hauseigenen Online-Shop, in den Migrolino-Läden an Bahnhöfen und Tankstellen sowie bei der Migros-Tochter Denner. Der Discounter, der vom MigrosKonzern 2007 übernommen wurde, ist schweizweit der zweitgrösste Weinverkäufer – hinter Coop. Für den Detailhandel geht es dabei umviel Geld. ImJahr 2020 gaben die Konsumierenden in der Schweiz insgesamt rund 2,6 Milliarden Franken für Alkoholika aus – das sind rund 8,6 Prozent des gesamten Umsatzes im Lebensmittelhandel.Wie viel dieMigrosmit demAlkoholverkauf in den stationären Supermärkten zusätzlich verdienen könnte, ist offen. Skeptiker weisen darauf hin, dass der Umsatz auf Selber ein Geniesser und Lebemann, schrieb er das Alkoholverbot in den Migros-Statuten fest: Gottlieb Duttweiler (1888–1962), hier 1960 vor seinem Geschäft in Oerlikon (ZH). Fast alles gibts beim grössten Detailhändler der Schweiz – ausser Alkoholika und Tabakprodukte. Fotos Keystone
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