Schweizer Revue 2/2022

Schweizer Revue / April 2022 / Nr.2 23 Der Chipperfield-Bau, ein wuchtiger Quader mit einer Fassade aus geradezu filigranen Lamellen. Foto Keystone Bührle pflegte erstklassigeGeschäftsbeziehungenbis indie höchsten Sphärenvon Nazi-Deutschlandundwar nach 1945 selbstredend flexibel genug, sein Geschäftsmodell den Bedingungen des Kalten Kriegs anzupassen. Und Rüstungsgüter in alle Krisenregionen derWelt zu liefern – nachweislich nicht immer legal. Sein aus demWaffengeschäft alimentiertes Vermögen investierte der frühere Kunststudent unter anderem – in Kunst. Er bediente sich in grossem Stil auf dem Nachkriegs-Kunstmarkt, auf dem sich unzählige Werke befanden, die jüdische Galeristen und Sammler unter Zwang veräussert hatten. Der Raubkunst-Verdacht schwebt deshalb über der Sammlung. Die enge Verbindungmit der kunstinteressierten Zürcher Elite sicherte sich Bührle, indem er eine erste Ausbauetappe des Kunsthauses finanzierte. Sammlung im Schatten Nach seinem plötzlichen Tod 1956 fristete Bührles imposante Sammlung, die von einer nach ihm benannten Stiftung bewirtschaftet wird, jahrzehntelang in einer privaten Villa am Zürcher Stadtrand ein Schattendasein. Erst ein Kunstraub inder ungenügendgesichertenVilla imJahr 2008 rief den unversicherbaren Millionen-Wert der Bührle-Bilder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. 2012 entschieden die Zürcher Stimmberechtigten über die öffentlicheMitfinanzierung des nun realisiertenKunsthaus-Anbaus von 75 Millionen Franken. Dass die umstrittene Bührle-Sammlung imNeubau Platz findenwürde, war damals zwar bekannt, wurde aber kaum debattiert. Kontaminiertes Museum? ImMärz 2022 ist es exakt 20 Jahre her, dass die Bergier-Kommission ihren Schlussbericht über die während dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz gelangten Vermögenswerte vorlegte. Die Arbeit der Historiker hat die Sensibilität inder SchweizerÖffentlichkeit gegenüber denVerstrickungenmit demNazi-Verbrechenwesentlich erhöht. Umsomehr stellt sich die Frage, warum Zürich erst jetzt, da die Bilder im Kunsthaus-Neubauhängen, von einer heftigenDebatte über die Herkunft der Bührle-Sammlung ereilt wird. Der Historiker Erich Keller hat dafür eine interessante These, die er in seinemlesenswertenBuch «Das kontaminierteMuseum», Corine Mauch: «Die Bührle-Debatte tut uns gut.»

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