Schweizer Revue 2/2022

Schweizer Revue / April 2022 / Nr.2 9 weit Abwehrreaktionen aus. Die USA verschärften ihre Rhetorik unter Donald Trump deutlich und zettelten einen Handelskrieg an. Joe Biden tritt moderater auf, verfolgt aber einen ebenso klaren Kurs. Im November 2021 hat er Chinas Staatschef Xi Jinping vor einer Konfrontation gewarnt. DerwirtschaftlicheWettbewerb dürfe nicht in einenKonflikt ausarten, sagte der US-Präsident an einem virtuellen Treffen. Alle Länder müssten sich an die gleichen Spielregeln halten. Die EU verhängte letztes Jahr Sanktionen gegen chinesische Verantwortliche. Sie protestierte damit gegen die «willkürlichen Inhaftierungen» von Uiguren in Xinjiang. Peking reagierte umgehendmitMassnahmen gegen europäische Parlamentarier und Wissenschaftler. Gegensanktionen ergriff das Regime auch, als Kritik an seinem Pandemie-Management laut wurde. Es schränkte beispielsweise den Handel mit Australien ein, nachdem dieses Forderungen unterstützt hatte, die Ursprünge der Corona-Pandemie zu untersuchen. «Global polarisiert China spätestens seit der Pandemie», stellt der Schweizer Nachrichtendienst in seinem Lagebericht 2020 fest; das internationale Image Chinas habe gelitten. In seiner Analyse geht der Nachrichtendienst auch auf die Gefahr von Cyberangriffen und chinesischer Spionagetätigkeit ein. Letztere stellten «eine bedeutende Bedrohung für die Schweiz» dar, warnt er. Dies zeigt, warum der neutrale Ansatz gegenüber China immer mehr an Grenzen stösst. Diskussion über einen diplomatischen Boykott Die Schweizer Haltung gab vor den OlympischenWinterspielen erneut zu reden, als die USA, Kanada, Grossbritannien und Australien einen diplomatischen Boykott beschlossen und einige europäische Staatennachzogen. Man könne nicht sportliche Wettkämpfe beklatschen, ohne sich über die Situation der Menschen in China Gedanken zu machen, kritisierte der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (SP). «Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ein Land zu feiern, in dem laufendVerbrechen gegen dieMenschlichkeit verübt werden.» Stattdessen müsse der Bund ein starkes Zeichen setzen und auf eine offizielle Delegation verzichten. Christoph Wiedmer, Geschäftsführer der Gesellschaft für bedrohte Völker, sprach sich ebenfalls für einen Boykott aus. Um Verbesserung zu erreichen, brauche es ein entschiedenes Auftreten, sagte er. «Die Menschenrechtsverletzungen im Ti- bet und Ostturkestan haben ein schoDer Luzerner Liftbaukonzern Schindler ging 1980 als erstes westliches Industrieunternehmen ein Joint Venture mit den Chinesen ein – und profitiert heute vom Bauboom in Chinas Metropolen. Foto iStock Einen Schweizer Beitrag zu Chinas Annäherung an den Westen leistete der Journalist und Fotograf Walter Bosshard. Seine zwischen 1930 und 1939 geschaffene Bilderwelt zählt heute zum visuellen Gedächtnis Chinas. 1938 traf Bosshard Mao Zedong. Foto Keystone ckierendes Ausmass angenommen. Schon die Sommerolympiade von 2008 zeigte: Ohne deutlichen internationalen Druck wird die Volksrepublik China nicht aufhören, Minderheiten zu unterdrücken.» Der Bundesrat reagierte auf die Forderungen zögerlich. Schliesslich teilte er mit, dass es «angemessen» wäre, wenn ein Regierungsvertreter die Eröffnungsfeier in Peking besuchenwürde. Er liess sich jedoch einen gewissen Spielraum offen, indem er auf die Pandemie verwies. Sein Sprecher sagte: «Sollte die Corona-Situation in der Schweiz es nötig machen, dass alle Bundesräte in der Schweiz sind, so fällt die Reise aus.» Ende Januar entschied er dann, dem Spektakel ganz fernzubleiben.

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