STÉPHANE HERZOG Wärmetechniker Fabrice Malla nimmt uns mit an einen Ort 17 Meter unter demWasserspiegel des Genfersees bei Vengeron. Wir finden uns in einer 70 Meter langen Kathedrale aus Beton wieder. 2024 wird dieses Reservoir mit Wasser gefüllt werden, mit Wasser, das fast für drei olympische Schwimmbecken ausreichen würde. Das kalte Wasser wird zwei Kilometer vom Ufer entfernt aus 45 Meter Tiefe abgepumpt werden. Ab 2024 werden elektrische Pumpen das Wasser auf zwei Netze verteilen. Das erste ist ein geschlossener Regelkreis und wird einige Gebäude im Umfeld des Flughafens versorgen. Das zweite Netz wird direkt Gebäude im Stadtzentrum kühlen. Die von Services Industriels de Genève (SIG) eingebauten Wärmepumpen in 300 Gebäuden werden es zudem ermöglichen, Wärme aus dem Wasser zu extrahieren und zu verstärken, also die Gebäude zu beheizen. Damit sind wir in der Welt der Hydrothermie angekommen, in der kaltes Wasser Wärme generiert. Fabrice Malla verweist auf Hydrothermie-Grossprojekte in Toronto und Honolulu. Die auf 100 Millionen Franken budgetierte Genfer Anlage dürfte aber zu einem der grössten hydrothermischen Netze der Welt werden. «Wir werden die Hälfte des Kantons mit Kälte und Wärme versorgen», sagt Malla, Ingenieur bei SIG. Die Anlage werde den Treibhausgasausstoss drastisch senken. Der für den Betrieb des Netztes benötigte Strom werde aus Wasserkraft stammen, sagt SIG-Sprecherin Véronique Tanerg Henneberg. Das ist ein wichtiger Aspekt, zu dem Martin Schmid, Forscher der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag), sagt: «Wärmepumpen verbrauchen Strom, der uns nicht in genügender Menge zur Verfügung steht. Die Abkehr von der Kernenergie bedingt einen Ausbau der Solar- und die Windenergie.» Auch Seen werden künftig unsere Gebäude kühlen und heizen Angesichts des Klimawandels wird vermehrt die in Seen gespeicherte Energie genutzt. So wird in Genf künftig eine der grössten hydrothermischen Anlagen der Welt Kälte und Wärme für Hunderte von Gebäuden liefern. Das Potenzial der Schweizer Seen ist beachtlich, ihr Zustand jedoch zugleich besorgniserregend. Schweizer Revue / Juli 2022 / Nr.3 14 Wissenschaft
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