der Erde vor. Die schiere Menge an Menschen hätte die einzelnen Personen quasi an ihre Schlafkoje gebunden. Man hätte sich im eigenen Schutzbereich zum Trocken-WC oder zur Wasserausgabe durchschlängeln müssen. Jede und jeder hätte die eigene Nahrung mitbringen müssen. Das Wasser wäre rationiert gewesen. Essen aufzuwärmen, wäre nicht möglich gewesen; die Küchen des Bunkers waren für das Personal und das unterirdische Spital reserviert, das über einige Duschen verfügte – die einzigen im Bunker. Der Rundgang führt weiter an einem Operationssaal, einemGemeinschaftsraum und einem Radiostudio vorbei. Dank dem Verein blieben die Einrichtungsgegenstände aus der Ära des Kalten Kriegs erhalten: chirurgische Ausrüstungen, Schnurtelefone, Notrationen in Pulverform. Erhalten geblieben ist die Farbgebung: Das Grün und Gelb der Wände, das beruhigend wirken soll, dominiert. Ein Kreisssaal ist lachsfarben gestrichen. Seine Enge weckt das dringende Bedürfnis, ihn sofort wieder zu verlassen. Im Sonnenberg gibt es eine Kapelle, aber Arrestzellen für 16 Gefangene. Bei einem Angriff hätten die Auf Führungen wird heute ein Einblick in die vom Kalten Krieg geprägte Bunkerwelt gewährt. Dazu gehört eine Visite im Notspital der Anlage. Foto Stéphane Herzog Zivilschutzübung «Ameise»: So hiess der grossangelegte Versuch von 1987, in den Tunnelanlagen den Ernstfall zu proben. Foto Keystone In der Schweiz steht mehr als ein Schutzraumplatz pro Person bereit Der Sonnenberg ist Teil einer Politik, die auf einem 1959 verabschiedeten Gesetz beruht. Es garantiert jeder Einwohnerin und jedem Einwohner in 30 Minuten Gehdistanz einen Schutzraumplatz. In der Schweiz gibt es 365000 private und öffentliche Schutzräume mit insgesamt rund 9 Millionen Plätzen. Die Abdeckung liegt somit über 100 Prozent. Pro Jahr entstehen 50 000 neue Plätze. Wer Neubauten erstellt, muss auch Schutzräume einbauen, ausrüsten und unterhalten. Wird auf einen Schutzraum verzichtet, muss eine Ersatzabgabe bezahlt werden. Bei Lücken in der Abdeckung muss zudem die Gemeinde öffentliche Schutzräume bauen, ausrüsten und warten. Die aus Stahlbeton gebauten Schweizer Bunker müssen der Druckwelle einer Bombe standhalten und die Strahlenbelastung im Innern um den Faktor 500 senken können. Die Schweizer Bevölkerung nutzt ihre Bunker als Lagerräume oder sogar Gemeinschaftsräume sowie Unterkünfte für Asylsuchende oder Obdachlose. Die Räume müssen jedoch nach wie vor innerhalb von fünf Tagen einsatzbereit gemacht werden können. Am 3. März dieses Jahres, eine Woche nach Kriegsausbruch in der Ukraine, meldete der Bund, dass die Kantone angesichts der Sicherheitslage «die Zuweisungspläne für Schutzräume überarbeiten und wenn nötig anpassen» müssten. (SH) Die armierte Betontüre zum Schutzraum ist in Schweizer Wohnliegenschaften ein seit Jahrzehnten vertrautes Bild. Foto Keystone Spannungen unter Tag zweifellos einen Höhepunkt erreicht. Gut möglich, dass mit der «Zurückstufung» des Bunkers auch auf diese befürchteten Spannungen reagiert wurde. Schliesslich kann man am Grund eines Schachts den Verkehr auf der A5 vorbeirauschen sehen. Schelbert: «Die Bundesgelder für diese Anlage haben es Luzern ermöglicht, die Autobahn kostengünstig zu bauen.» Im Ernstfall kämen die dem Bunker zugewiesenen Luzernerinnen und Luzerner aber nicht per Auto. Sie müssten den Sonnenberg via Spielplatz und Wartungstunnel betreten. Schweizer Revue / Juli 2022 / Nr.3 Reportage
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