Schweizer Revue 3/2022

Gefängnis für Top-Banker Pierin Vincenz Der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ist im April vom Zürcher Bezirksgericht wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung schuldig gesprochen worden (siehe auch «Revue» 2/22). Er wurde zu 3 Jahren und 9 Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 560000 Franken verurteilt. Der Schuldspruch des in Interessenkonflikte verstrickten Grossbankchefs beurteilen Strafrechtler als wegweisend. Experte Gregor Münch in der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Das Urteil wird den einen oder anderen Wirtschaftskapitän aufschrecken.» (MUL) Die Schweiz eröffnet Botschaft im Vatikan Mit der päpstlichen Schweizergarde ist die Schweiz im Vatikan ganz auffällig präsent. Aber erst jetzt will die Schweiz vor Ort eine eigene Botschaft eröffnen. Designierter erster Botschafter im Vatikan ist der Diplomat Denis Knobel. Mit der Eröffnung einer Botschaft bereinigt die Schweiz definitiv ihr lange Jahre angespanntes Verhältnis zum Heiligen Stuhl: Der Bundesrat hatte 1873 die Beziehungen zum Vatikan für Jahrzehnte abgebrochen, dies als Folge des so genannten Kulturkampfes zwischen Katholiken und Protestanten. Erst 1991 akkreditierte die Schweiz wieder einen für den Vatikan zuständigen Botschafter, allerdings hat dieser seinen Sitz noch in Slowenien. (MUL) Die EU fordert von der Schweiz klare Antworten Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist weiterhin eine unübersichtliche Baustelle. Seit die Schweiz im Mai 2021 die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen hat, sucht sie zwar nach Wegen, mit der EU wieder ins Gespräch zu kommen. Nur ist aus Sicht der EU-Kommission nicht klar ersichtlich, welche Lösungsansätze die Schweiz verfolge. Laut Recherchen von Radio SRF verlangt die EU-Kommission nun von der Schweiz vorerst klare, schriftliche Antworten auf einen von der Kommission vorgelegten Fragebogen. Erst anschliessend lasse sich beurteilen, ob die Vorschläge der Schweizer Regierung eine valable Grundlage für weitere Verhandlungen bildeten. (MUL) Die «Heimat» ist nach 89 Jahren abgasfrei Die Kursschiffe auf Schweizer Seen sind beliebte öffentliche Verkehrsmittel. Nun ist auf dem Greifensee ein erstes Kursschiff elektrifiziert worden: Das 1933 gebaute Schiff «Heimat» wird nicht mehr mit Diesel, sondern von einem Elektromotor angetrieben. Die grossen Schifffahrtsgesellschaften dürften dem Trend folgen. Angekündigt ist etwa ein erstes elektrisches Kursschiff auf dem Bodensee. (MUL) Die Schweiz will aufrüsten Die Rüstungsausgaben auf neu 7 Milliarden Franken pro Jahr erhöhen: Das hat eine deutliche Mehrheit des Nationalrats im Mai beschlossen. Sagt nach dem Nationalrat auch der Ständerat Ja, stiege das Militärbudget gegenüber heute um 1,4 Milliarden Franken. Der Nationalratsentscheid fiel vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges. (MUL) Tanja Stadler Sie war eine der wichtigsten wissenschaftlichen Stimmen während der akuten Corona-Krise in der Schweiz: Tanja Stadler, Professorin im Departement für Biosysteme an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Innerhalb der Science Task Force, die die Behörden beriet, leitete Stadler die Expertengruppe für die Berechnung des R-Werts. Diese zentrale Kennzahl zeigt, ob die Pandemie sich ausbreitet oder rückläufig ist. Unter anderem daran orientierte sich die Landesregierung, wenn sie über Massnahmen befand. Eine grosse Verantwortung für die Mathematikerin, zumal sie im Sommer 2021 das Präsidium der gesamten Task Force übernahm. Da war sie 40-jährig, eine der Jüngsten im Gremium. «Die Zahlen dieser Frau entscheiden über unsere Freiheit», titelte eine Zeitung. Theatralische Töne liegen Tanja Stadler selber fern. Im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit blieb die mehrfach ausgezeichnete Forscherin nüchtern bei Fakten und Evidenz. Trotzdem bekam sie, wie andere öffentlich auftretende Covid-Forschende, Hass und Drohungen ab. Dabei war Stadler nie in die Falle getappt, sich politisch zu äussern. Die Forschung erkläre, was sie wisse, entscheiden müsse die Politik, unterstrich sie immer wieder. Wenn, dann blieben ihre Signale subtil, etwa wenn sie auch nach der in der Schweiz frühen Aufhebung der Massnahmen mit Schutzmaske zum TV-Interview erschien. Ende März löste sich die Task Force auf, doch Tanja Stadler forscht weiter daran, wie sich Viren ausbreiten und verändern. Schon als Kind interessierte sie sich für naturwissenschaftliche Phänomene. Inzwischen ist sie selber zum Vorbild für junge Frauen geworden, sich ehemals männlich dominierten Wissenschaftsgebieten zuzuwenden. SUSANNE WENGER Schweizer Revue / Juli 2022 / Nr.3 8 Herausgepickt Nachrichten

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