Auswandern im Rentenalter: persönliche Stimmen Im Rahmen des wissenschaftlichen Projekts haben zudem 5 Paare und 25 Einzelpersonen, die heute in Marokko und Spanien leben, ihre Geschichte erzählt. Sophie und Laurent Dupraz* gehören zu den Personen, die sich im Rentenalter entschieden haben, die Schweiz zu verlassen. Vor zehn Jahren beschlossen sie, aus wirtschaftlichen Gründen nach Spanien zu ziehen. Als sie noch in der Schweiz lebten, war es für beide wichtig, sich politisch zu engagieren und wählen zu gehen. Daran hat sich auch in den letzten zehn Jahren nichts geändert, wie Sophie uns erzählt: «Ich finde es sehr wichtig, mich weiterhin über das Geschehen in der Schweiz und gerade über die Themen der Abstimmungen zu informieren, schon allein für unsere Kinder und Enkelkinder. Denn es geht auch um ihre Zukunft. Es ist eine Art und Weise, wenn man so will, nach wie vor stark mit der Schweiz verbunden zu sein.» Wie wichtig es Sophie ist, die Zukunft der Schweiz für die eigenen Kinder und Enkelkinder mitzugestalten, zeigt sich auch an ihrer Teilnahme am Klimastreik in der Schweiz vor einigen Jahren. Während die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen nicht für alle Befragte den gleichen Stellenwert einnahm, wurde das Interesse, über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in der Schweiz informiert zu bleiben, von vielen geäussert. So wie beispielsweise von Jean Mauron*, der seit zwei Jahren in Spanien lebt: «Also das Westschweizer Radio, das höre ich jeden Morgen. Egal, wann ich aufstehe, ich schalte meinen Computer ein und höre mir die Nachrichten an. Ich öffne auch zwei- bis dreimal pro Woche die Seite der ‹Liberté›, um die lokalen Nachrichten aus Freiburg zu lesen. Und dann lese ich ebenfalls den Newsletter von Swissinfo.» *Namen geändert ben. In den letzten fünf Jahren war die Schweiz ein geschätztes Urlaubsziel sowie ein beliebter Ort, um regelmässig Familie und Freunde zu treffen, und um Produkte zu kaufen, die andernorts kaum zu finden sind. Zudem gaben 900 Befragte an, die Schweiz für kulturelle Veranstaltungen besucht zu haben. Schliesslich sind 450 Antwortende in die Schweiz gereist, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Einfache Geldüberweisungen Knapp 450 Befragte haben in den letzten zwölf Monaten Geld in die Schweiz überwiesen. Dies geschah hauptsächlich aus wohltätigen Gründen, um die Familie zu unterstützen, um Reisen zu bezahlen oder um Geld auf das eigene Konto in der Schweiz zu überweisen. Zudem gaben die rund 1000 Antwortenden, die ihr Rentenguthaben aus der Schweiz in ein anderes Land haben transferieren lassen, an, dass der Vorgang sehr oder ziemlich einfach war. Nur 5 Prozent hatten bei diesem Transfer Schwierigkeiten. Lesen, sich informieren, wählen Die neuen Technologien werden oft und gerne genutzt, um sich über die Schweiz zu informieren. Online-Zeitungen, Newsletter und Webseiten spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch der Kontakt mit der Familie in der Schweiz erfolgt über verschiedene Kommunikationsmittel, wie beispielsweise das Festnetz- oder Mobiltelefon, sowie das Internet und seine Anwendungen. Schliesslich informiert sich zwar fast die Hälfte der Befragten über die in der Schweiz stattfindenden Wahlkampagnen und Abstimmung, aber nur wenige der Antwortenden nehmen tatsächlich daran teil. Laura Ravazzini ist Postdoktorandin im wissenschaftlichen Projekt zum «transnationalen Altern» und mitverantwortlich für die zwei quantitativen Erhebungen. Livia Tomás ist Doktorandin im wissenschaftlichen Projekt zum «transnationalen Altern» und führte die qualitativen Interviews mit den in Spanien und Marokko lebenden Rentnern und Rentnerinnen durch. 44,5 % haben nach Informationen über Wahlkampagnen in der Schweiz gesucht. Die Informationen stammen aus Zeitungen, Gesprächen mit Familie, Freund:innen oder aus dem Abstimmungsbüchlein. 21,9 % haben bereits Schweizer SIM-Karten für das Mobiltelefon gekauft, um mit den Liebsten in der Schweiz zu kommunizieren (oder aus anderen Gründen). 35,2 % nehmen an schweizerischen Volksabstimmungen und Wahlen teil. Die Zahl der Wählenden und Abstimmenden ist somit geringer als die Zahl jener, die sich über politische Belange informieren. ✘ JA NEIN Vertieften Einblick in die Ergebnisse der zweiten Umfrage zum «transnationales Altern» gewährt die Projekt-Broschüre, die heruntergeladen werden kann: revue.link/de55 74,3 % lesen normalerweise eine schweizerische Lokal- oder Regionalzeitung, einen Newsletter oder besuchen Websites, um über das aktuelle Geschehen in der Schweiz auf dem Laufenden zu bleiben. Schweizer Revue / Oktober 2022 / Nr.5 23
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