Schweizer Revue 5/2022

zwei Millionen Euro über fünf Jahre nicht so weit vorantreiben können.» Yves Flückiger, Präsident der Schweizer Universitäten swissuniversities, ergänzt, dass Schweizer Forschende von mehreren wichtigen Forschungsbereichen völlig ausgeschlossen sind. Flückiger nennt das Flaggschiffprogramm für Quantenforschung, das für die Entwicklung der Digitalisierung von strategischer Bedeutung sei, den Bau des internationalen Kernfusionsreaktors ITER, bei dem die Schweiz seit 2007 an der Projektsteuerung beteiligt war, und das Programm Digital Europe, das auf Hochleistungsrechnen, künstliche Intelligenz und Cybersicherheit fokussiert. Die Erosion hat bereits begonnen Die Schweizer Forschung gehörte bisher laut Vetterli zu den aktivsten der assoziierten Länder der EU-Forschung, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Klima und Quantentechnologie. Jetzt wird sie seit über einem Jahr ins Abseits gedrängt, trotz der 1,2 Milliarden Franken, die der Bund für Übergangsmassnahmen in der Schweiz zur Verfügung gestellt hat. Vetterli berichtet von Start-ups, die auf dem Campus der EPFL entstanden sind und nun Büros in Europa eröffnen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin Talente anziehen und von europäischen auch Kasten auf Seite 5) eine Niederlassung in Wien eröffnet, um den Zugang zu Horizon Europe aufrechtzuerhalten. Flückiger sagt, die 100 Arbeitsplätze, die sonst in der Schweiz geschaffen worden wären, befänden sich jetzt in Wien. Es geht um den Wohlstand der Schweiz Es geht bei Horizon Europe für die Schweiz nicht nur um ihre Forschung und die Forschenden, die um ihre Spitzenpositionen fürchten. Sondern auch um Studentinnen und Studenten sowie Professorinnen und Professoren, die plötzlich zögern, in die Schweiz zu kommen. Und es geht bei Horizon Europe auch um Technologietransfer, der zu Gründungen von Start-ups und KMUs und zur Schaffung von Stellen in der Forschung und in Unternehmen führt. Letztlich also, so sind sich die Hochschulvertreter einig, Geldern profitieren können. Yves Flückiger weiss von ersten Forschenden, die die Schweiz mit ihren ERC-­ Stipendien Richtung Frankreich, Österreich und Belgien verlassen haben. Und Hengartner stellt fest, dass Kandidierende für Professuren an den beiden ETH nun alle nach den Aussichten der Schweiz auf eine baldige Wieder-Assoziierung fragen. Isoliert arbeiten? Das ist in der Welt der Forschung undenkbar. Ebenso in der Welt der Innovation: Als Reaktion auf die Nicht-Assoziierung der Schweiz hat das renommierte Genfer Unternehmen ID Quantique (siehe Die Schweiz ist bei der Forschung international verflochten wie kaum ein anderes Land: Zwei Drittel der Forschenden, die in der Schweiz arbeiten, haben ihr Doktorat im Ausland gemacht. Die Beziehungskrise Schweiz–EU dauert an Rund ein Jahr nach dem Abbruch der Verhandlungen für einen Rahmenvertrag nimmt die Schweiz einen neuen Anlauf zur Regelung ihrer künftigen Beziehungen mit der EU. Doch der Weg zu einer tragfähigen Lösung zwischen Bern und Brüssel ist noch lang – und auf beiden Seiten von Misstrauen geprägt. Auch innenpolitisch ist kein breit abgestützter Konsens in Sicht. Schweizer Revue / Oktober 2022 / Nr.5 6 Schwerpunkt

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx