Schweizer Revue 6/2022

MARC LET TAU In der ländlichen Gemeinde Stadel im Zürcher Unterland, die nahe an der Grenze zu Deutschland liegt, verlief der Alltag in den letzten Jahrhunderten recht beschaulich. Landwirtschaft prägt die von Gletschern zurechtgehobelte und von bewaldeten Hügeln gesäumte Landschaft. Dort, wo keine Äcker bebaut werden, wird vor allem abgebaut: Ausgebeutet werden reiche Kiesvorkommen, auch sie ein Geschenk vergangener Eiszeiten. Doch nach den Zeiten relativer Ruhe steht Stadel nun im Mittelpunkt eines bewegenden Jahrtausendprojekts. Hier nämlich soll das Zugangsportal zu einer mächtigen, unterirdischen Deponie für radioaktive Abfälle entstehen. Fast 50 Jahre lang hatte die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach einem Standort für ein Endlager gesucht. Und im September 2022 entschied sie sich für Stadel, respektive für die dichten Gesteinsschichten, die hier tief unter Tag liegen. Der dort anzutreffende Opalinuston biete für den Einschluss von radioaktiv strahlenden Stoffen die grösstmögliche SicherEine strahlende Deponie für die Ewigkeit Die Schweiz produziert Atomstrom. Dabei fallen hochtoxische, radioaktive Abfälle an, die während Jahrtausenden sicher verwahrt werden müssen. Nach 50 Jahren intensiver Suche ist nun entschieden, wo der gefährliche Müll im Boden versenkt werden soll. Viele Fragen zur 20 Milliarden Franken teuren Deponie sind aber noch offen. heit, argumentieren die Experten der Nagra. Deren Chef Matthias Braun sagt, von allen geprüften Standorten verspreche Stadel «die besten Sicherheitsreserven». Was er damit auch gesagt haben will: Geologische Gründe sprechen für diesen Standort – und nicht der Umstand, dass hier der politische Widerstand gering ist. Denken in unfassbaren Zeiträumen Bis zu 900 Meter tiefe Schächte sollen unweit von Stadel in den Untergrund getrieben werden. Sie werden den Zugang bilden zu den im dichten Opalinuston geplanten Kavernen für die radioaktiven Abfälle. Bei ihrem Vorhaben muss die Nagra in unfassbaren zeitlichen Dimensionen denken: Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle müssen nach heutigem Wissensstand 30000 Jahre sicher eingeschlossen werden. Für die hochradioaktiven Abfälle geht die Nagra von etwa 200000 Jahren aus. Die «Sicherheitsreserven» sollen so ausgelegt werden, dass für rund eine Million Jahre ausgeschlossen werden kann, dass das Mit Probebohrungen wie hier unweit von Stadel hat die Nagra die tiefen Gesteinsschichten untersucht. Das Zauberwort hiess dabei: Opalinuston. Nach heutigem Kenntnisstand eignet er sich für die Einlagerung radioaktiver Abfälle. Foto Keystone Schweizer Revue / Dezember 2022 / Nr.6 13 Natur und Umwelt

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