Schweizer Revue 6/2022

«Die Männer entschieden, dass die Frauen ein Jahr länger arbeiten müssen.» Tamara Funiciello, Nationalrätin, SP, Bern Dauerdebatte, bei der noch gänzlich unklar ist wann – und ob – da wirklich eine «Revision für die Frauen» erfolgt. Dass der seit den Wahlen von 2019 grössere Frauenanteil im Parlament nichts bewirkt haben soll, bestreiten die Co-Präsidentinnen von Alliance F. Als Beispiele nennen sie unter anderem die im Herbst 2021 organisierte Frauensession, die zwei Dutzend Petitionen vors Parlament gebracht hat. Frauen hätten zudem die Behandlung von weiteren parlamentarischen Geschäften geprägt, die Individualbesteuerung, die Finanzierung der Kinderbetreuung, die Revision des Sexualstrafrechts, die Ehe für alle mit dem Zugang zur Fortpflanzungsmedizin, die Finanzierung eines Programms für die Prävention von häuslicher Gewalt. Die grossen Geschäfte, sagt Maya Graf in der «Aargauer Zeitung» weiter, seien unterwegs. Dazu gehört auch die BVG-Reform. der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit oder nach bezahlbarer Kinderbetreuung. Ganz wichtig nach der Debatte ums Frauenrentenalter ist zudem die Feststellung, dass die Frauen jeglicher politischer Couleur fordern, dass die Situation der Frauen im Rentenalter verbessert werden muss. Tatsächlich ist die Altersvorsorge bei vielen Frauen lückenhaft, doch daran ist nicht vorab die AHV schuld. Die erste Säule der Altersvorsorge enthielt notabene bei der letzten grossen AHV-Reform im Jahr 1997 wesentliche Verbesserungen für die Frauen: Es wurden Erziehungs- und Betreuungsgutschriften sowie das EhegattenSplitting eingeführt. Mit dem Splitting wird bei der Berechnung der Rente die während der Ehejahre erzielten Einkommen beider Ehegatten zusammengezählt und beiden je zur Hälfte gutgeschrieben. Lücke bei der beruflichen Vorsorge Der grosse Unterschied zwischen den Geschlechtern klafft bei der zweiten Säule, der obligatorischen beruflichen Vorsorge (BVG). Weil Frauen häufig weniger verdienen als Männer, sind ihre Lohnbeiträge an die Pensionskasse tiefer. Wer Teilzeit oder in Branchen mit niedrigen Löhnen arbeitet, unbezahlte Betreuungsarbeit leistet oder für gleiche Arbeit schlicht weniger Lohn erhält, kann nur ein kleines Altersguthaben ansparen. Entsprechend klein fällt die auf diesem Guthaben basierende Rente aus, zumal tiefe Löhne nicht nur schlecht, sondern unter einem gewissen Jahreseinkommen (aktuell 21510 Franken) nicht obligatorisch versichert sind. Darum richtet sich nach dem knappen Ja zur AHV-Vorlage der Fokus nun auf die BVG-Revision. Im Wesentlichen geht es darum, kleine Pensen und tiefe Ein- «Auch Frauen dürfen untereinander uneinig sein.» Maya Graf, Ständerätin, Grüne, Basel-Landschaft kommen beim privaten Sparen fürs Alter besserzustellen. Allerdings hat die zweite Säule ähnliche Probleme wie die erste: Aufgrund der längeren Lebenserwartung gibt es ein Finanzierungsproblem, das durch die tiefen Zinsen noch verschärft wird. Die Vorsorgeeinrichtungen erzielen nicht genügend hohe Renditen, um die Altersguthaben der Versicherten auf lange Frist in gleich hohe Renten wie heute umzuwandeln. Es ist also eine weitere komplexe Die drei Säulen der Altersvorsorge Aktuell beträgt die AHV-Maximalrente 2390 Franken pro Monat und pro Person, die Minimalrente in den meisten Fällen 1195 Franken. Diese AHV-Rente allein reicht in der Schweiz nicht zum Leben. Dafür braucht es zwei weitere Säulen. Neben der staatlichen Vorsorge aus AHV und Ergänzungsleistungen (1. Säule) gibt es seit 1985 die berufliche Vorsorge über die Pensionskassen (2. Säule). Und seit 1987 existiert die gesetzlich geregelte private Vorsorge (3. Säule). Dieses 3-Säulen-Prinzip hat zum Ziel, den gewohnten Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten. (DLA) Schweizer Revue / Dezember 2022 / Nr.6 17

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