auch ein sechs Meter hohes Aufnahmestudio. Dieses ist technisch mit dem Tonlabor verbunden und akustisch ebenfalls durchgestaltet, mit schrägen Wänden und versetzbaren Stoffrollos. Durch letztere können Bands und Ensembles ihre Klangbilder variieren. Haydns Originalakustik lebt auf Noch in Entstehung befindet sich das dritte Element im Strauss’schen Audiouniversum: ein Kino für eine Person. In einer schicken bootsähnlichen Box wird man ganz für sich allein Musik hören können, Filme schauen oder sich Videospielen widmen, aus Freude oder als Arbeitsplatz für Audioprofis. Jürgen Strauss entwickelt die Neuheit gemeinsam mit Architekten. Die Beziehungen zwischen Musik, Architektur und Raumakustik interessieren den Laborgründer besonders. Er arbeitet daran, Klangbilder ab architektonischen 3D-Plänen hörbar zu machen. Auralisation nennt sich die Technik, bei der eine Raumakustik digital simuliert wird und bei der Stimmen oder Instrumente hineinmontiert werden. Das Verfahren kann bei tra fürs Musiclab entkoppelt, weswegen auch keine Vibrationen via Boden die Klangwiedergabe beeinträchtigen. Zu diesem Zweck steht der massige Bau zusätzlich auf Federn. Die organischen Aussenmaterialien Lehm und Holz sind innen mit modernster Audiotechnik und futuristischem Ambiente kombiniert. Weisse unterteilte Wände, gelbes Licht, Monitoren, Computer und Mischpult – in der schalldichten Kuppel kommt man sich wie in einer Raumkapsel vor. Das in die Wände eingefügte Beschallungssystem nutzt 24 HightechLautsprecher, die Jürgen Strauss selber entwickelt hat. Dafür ist er in der Fachwelt seit Jahren bekannt und angesehen. Die Lautsprecher sind rundherum eingebaut, so können dreidimensionale Klangbilder erzeugt werden. Das entspreche dem Alltagshören, hält Strauss fest: «Im Unterschied zum Sehen hören wir 360 Grad.» Durch den direkten Schall und dessen Reflexionen im Raum gewännen wir «einen Totalitätseindruck». Zugleich seien wir fähig, auf ein Ereignis zu fokussieren, etwa auf ein Gespräch, und andere Geräusche auszublenden. Was heute physikalischtechnisch im Lautsprecherbau machbar sei, wolle er im Lab umsetzen, bekräftigt Strauss. Für Ensembles und E-Games Nebst Elektronik und Bau unterstützt auch die Raumakustik die angestrebte Qualität. Der Raum ist so ausgestattet, dass alle Töne nur kurz und gleichmässig nachhallen. «Dadurch färbt die Raumantwort das Klangbild nicht», so Strauss. Nichts ist Zufall bei ihm. Die gelbe Beleuchtung wählte er, weil sie «klangfarbenneutral» Atmosphäre schaffe. Anders etwa als Rot, bei dem wir Klänge als warm empfänden. Hören ist eben vielschichtig. Am markantesten wird das Erlebnis, wenn man sich exakt in die Mitte des Labors setzt. Der Erbauer spielt jetzt Aufnahmen ab, von elektronischer Musik über Klassik bis 60er-Jahre-Folk. Der Schall umhüllt die Zuhörerin von allen Seiten, jeder Ton scheint fassbar. Angenehm geborgen fühlt man sich in der weiten weissen Kuppel und ist so konzentriert wie durchlässig. Es seien schon Tränen geflossen, weiss Strauss: «Die Hörerfahrung lässt niemanden kalt.» Fachsprachlich nennt sich das eintauchende Erleben immersiv. Strauss sieht darin das Potenzial, Musikaufnahmen noch differenzierter zu machen, Hörspiele und Filmmusik noch packender, den Sound von E-Games noch plastischer. Das «SE Musiclab» steht für all das gegen Miete zur Verfügung. Es enthält «Im Innern des Labors ist es ruhiger als im ruhigsten Schweizer Bergtal, wenn dick Schnee liegt.» Musiclab-Initiant Jürgen Strauss Die 60 Tonnen schwere Lehmhülle des Tonlabors hat ein Roboter erstellt. Kein Geräusch dringt ein, auch nicht der laut vorbeibrausende Zug. Foto Roger Huber, ZVG Schweizer Revue / Dezember 2022 / Nr.6 29
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