Kastanien: Schweizer Kulturgut erlebt Revival Einst ein Grundnahrungsmittel, heute eine Tourismusattraktion: Edelkastanien haben in der Schweiz zwar an wirtschaftlicher Bedeutung eingebüsst, feiern derzeit aber ein kulturelles Comeback EVA HIRSCHI «Heissi Marroni, heissi Marroni», erklingen in den kalten Monaten die Rufe aus den kleinen braunen Häuschen in den Gassen, der Duft von über Holzkohle gerösteten Edelkastanien steigt in die Nase. Auch wenn dieses Bild fester Bestandteil der Schweizer Wintermonate ist und Gerichte wie Vermicelles, Marronisuppe oder karamellisierte Kastanien nicht mehr wegzudenken sind, so stammen nur rund 100 Tonnen dieser Nussfrüchte von hier. Ganze 2500 Tonnen werden importiert, hauptsächlich aus Italien, aber auch aus Portugal, Spanien oder Frankreich. Dennoch hat die Kastanie in der Schweiz sehr wohl Tradition. Bis ins 19. Jahrhundert war sie wichtiger Bestandteil der Selbstversorgung. Insbesondere in den südlichen Alpentälern, im Tessin und im Wallis, wurde sie angebaut und als Mehl, gedörrt oder in der Pfanne geröstet zubereitet. Wegen des hohen Nährwerts und des tiefen Preises galt sie auch als «Brot der Armen». Von den Römern eingeführt, ist die Edelkastanie eine der ältesten Kulturpflanzen Europas. Mit der Verbreitung der Kartoffel verlor sie im 19. Jahrhundert aber ihre wirtschaftliche Bedeutung. Die lichten Kastanienhaine – sogenannte Selven – blieben allerdings landschaftsprägend. Aufwendige Pflege «Hunderte Hektare Selven sind in der Schweiz bereits verschwunden», sagt Patrick Schoeck, Leiter Baukultur des Schweizer Heimatschutzes. Oft wurden Kastanienbäume zugunsten von Weideland oder Ackerbau gerodet. Andere wiederum sind verwaldet. Denn: Kastanienhaine verlangen intensive Pflege und viel Handarbeit. «Das rentiert sich für die Bauern oftSchweizer Revue / Januar 2023 / Nr.1 14 Natur und Umwelt
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