Kennen Sie die «Banane» der Ingenieurschule Biel? Sie war keine Frucht. Sie war ein bananenförmiges, bananengelbes Rennsolarmobil, Baujahr 1985. Daher ihr Übername. Als Kraftquelle nutzte sie nichts ausser der direkt einstrahlenden Sonne. Ansonsten war der fragil wirkende Flitzer primär eine Art utopische Seifenkiste mit Sinn für günstiges Bastelmaterial: Fürs Fahrgestell wurden alte Alu-Skistöcke aus den Beständen der Schweizer Armee rezykliert. Schön war die «Banane» nicht. Aber schnell. Am Langstreckenrennen von 1985 quer durch die ganze Schweiz lag sie am Schluss direkt hinter dem Sieger Mercedes. 1986 waren die Bieler bereits nicht mehr zu schlagen. Mit einem weiterentwickelten Fahrzeug wurden sie erste offizielle Rennsolarmobil-Weltmeister. Und am längsten und härtesten Rennen für Solarmobile – quer durch Australien – erreichten die Bieler 1990 den Zenit: Mit ihrem Fahrzeug «Spirit of Biel II» deklassierten sie den haushohen Favoriten Honda und alle anderen angetretenen Hightech-Konzerne. Die Sonne meinte es oft gut mit den Bielern. Allein 1996 sammelten sie zehn Geschwindigkeits- und Distanzweltrekorde. Mit einer 161 km/h schnellen Fahrt stellten sie damals den bisherigen Rekord von General Motors in den Schatten. Warum dieser Blick zurück? Weil er die Frage zulässt, warum sich die Solar-Pioniernation von damals heute in Sachen Solarenergienutzung nur im hinteren europäischen Mittelfeld bewegt. Der Bieler Spirit trug Lorbeeren ein. Er leitete aber keine grosse energiepolitische Wende ein. Eine solche Wende beschloss das Schweizer Parlament im September 2022. Es entschied, dass in der Schweiz nun sehr rasch auch grosse Solarkraftwerke in den Alpen gebaut werden dürfen. Die Triebkraft war nicht die Utopie, sondern die Angst. Wegen des Krieges in der Ukraine ist Energieversorgung auch in der Schweiz unsicher geworden – und die Energiepreise stiegen in der Folge enorm. Wenig überraschend steckt in der neuen Schweizer Solaroffensive ein innerer Konflikt, denn sie wiegt Naturgüter gegeneinander auf: mehr Energie aus natürlichen Quellen, dafür weniger Schutz der natürlichen Berglandschaften. Wir zeichnen dies in unserem Schwerpunkt nach (ab Seite 4). Zur «Spirit of Biel» liefern wir Ihnen unter revue.link/spirit noch ein paar nostalgische Bilder. Gut 30-jährige Bilder aus einer Zeit, als der Durchbruch der Solarenergie in der Schweiz zum Greifen nahe schien. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR 4 Schwerpunkt Die Schweiz macht nun Tempo bei der Produktion von Solarstrom 9 Nachrichten Bundesratswahlen 2022: Einmal mehr viel Stabilität und nur dezenter Wandel 10 Reportage Das Beispiel Brienzersee: einst gut gedüngt und heute fast allzu sauber ... 13 Wirtschaft Kampf um den Kaffee: Die Migros fordert Marktführer Nespresso heraus 14 Natur und Umwelt Die Kastanie erlebt ihr Revival als Schweizer Kulturgut Nachrichten aus Ihrer Region 17 Schweizer Zahlen 18 Politik Was blieb von den Wahlen 2019? Der Politikwissenschafter blickt zurück Die Schweizer Parteien reagieren aufs wachsende Gewicht der Fünften Schweiz 22 Literatur 24 Aus dem Bundeshaus Wie das EDA die Senior:innen in der Fünften Schweiz sensibilisieren will 27 SwissCommunity-News Der Auslandschweizerrat bezieht Position zur Schweizer Neutralität 30 Diskurs Die schnelle Banane Titelbild: Solarmonteuere auf dem Dach der Turnhalle von Sevelen, St. Gallen. Archivbild Keystone (2011) Herausgeberin der «Schweizer Revue», des Informationsmagazins für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation. Schweizer Revue / Januar 2023 / Nr.1 3 Editorial Inhalt
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx