Schweizer Revue 1/2023

5 Fassaden installiert werden. Dabei werden die raumplanerischen und umweltschützerischen Prioritäten neu gewichtet: Der Zubau neuer Solaranlagen hat grundsätzlich Vorrang, die nationalen, regionalen und lokalen Schutzinteressen verlieren an Gewicht. Das dringliche Bundesgesetz hat zumindest im Wallis bereits zu heftigen Debatten geführt, denn hier manifestiert sich die Solaroffensive am deutlichsten: Propagiert wird ein alpines Super-Solarkraftwerk bei Grengiols (siehe Zusatzbeitrag Seite 6). Für die grüne Walliser Kantonspolitikerin Céline Dessimoz sind die gefallenen Beschlüsse Ausdruck einer gewissen Hysterie. «Das Parlament fällt von einem Extrem ins andere und foutiert sich um die hart erarbeiteten Raumplanungs- und Umweltschutzgesetze», kritisiert sie. Als Umweltschützerin ist sie der Ansicht, dass die Installation von Sonnenkollektoren auf Alpweiden reinem Kommerzdenken folgt. «Die Gemeinden haben das Potenzial solcher Projekte erkannt – und alles muss jetzt schnell gehen. Die Fotovoltaik sollte aber nicht auf Kosten der Landschaft und der Biodiversität forciert werden.» Diese Ansicht löst bei Jacques Bourgeois ein Lächeln aus. «Erst fordert man den Ausstieg aus der Atomkraft, und wenn diese Möglichkeit dann besteht, ist man dagegen», sagt er. Für den FDP-Politiker gehen die durch das dringliche Bundesgesetz ermöglichten Alpenprojekte in die richtige reich, aber auch von deutschem Strom, für dessen Herstellung teilweise russisches Erdgas eingesetzt wird. Als kollaterale Kriegsfolge schossen die Strompreise auch in der Schweiz in die Höhe, teils um mehr als 30 Prozent. Nach 20 Jahren stabiler Preise müssen etwa die Stromkunden im Zentralwallis statt wie bisher 20 Rappen pro Kilowattstunde nun 28 Rappen hinlegen, rechnet Arnaud Zufferey vor, dessen Büro Gemeinden bei der Energiewende berät. Alles beschleunige sich, «aber eigentlich war Solarstrom schon vor fünf Jahren rentabel», betont er. Sein Haus hat Zufferey mit Solarpanels ausgestattet. Der so erzeugte Strom kostet 15 Rappen/kWh und betreibt ein Elektroauto. Ein 10 Quadratmeter grosses Solarpanel liefert genug Strom für 10 000 Kilometer Fahrt pro Jahr, hält er fest. Bundesparlament forciert Solarenergie Mit der Annahme eines dringlichen Bundesgesetzes Ende September 2022, das den Bau grosser Solaranlagen in den Alpen ermöglicht, setzte das Schweizer Parlament ein starkes Zeichen. Anlagen mit einer Jahresproduktion von mehr als 10 Gigawattstunden werden von vereinfachten Planungsverfahren profitieren können und vom Bund finanziell unterstützt. Und bei Neubauten mit einer Fläche von mehr als 300 m2 muss eine Solaranlage auf dem Dach oder an den Mängeln die Rede: «Wir haben hier die Kurve tatsächlich etwas langsam gekriegt», räumt etwa Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP, FR) ein und verweist auf Süddeutschland, wo die Fotovoltaik bestens etabliert ist. Der neue Solarboom wurde unter anderem auch von Bundesrat Guy Parmelin angestossen. Gestützt auf einen Bericht über die Stromversorgungssicherheit im Lande warnte er im September 2021 vor einer möglichen Stromknappheit – und löste damit eine mittlere Panik aus. Die Invasion in die Ukraine verdeutlichte schliesslich die enorme Energieabhängigkeit der Schweiz – insbesondere von Nuklearstrom aus FrankDie Solaroffensive der Schweiz ermöglicht neu den Bau grosser Fotovoltaikanlagen ausserhalb der Bauzonen, etwa in alpinen Höhenlagen. Foto iStock Die Auftragsbücher der Schweizer Solarfirmen sind prallvoll, doch es fehlt an Personal: In der Branche ist der Fachkräftemangel enorm. Foto Keystone Schweizer Revue / Januar 2023 / Nr.1

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