Eine Kolumne in einer Lokalzeitung lanciert den Traum eines Solarkraftwerkprojekts in den Walliser Alpen. Ihr Verfasser? Der Politiker Peter Bodenmann, der frühere Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (1987–1997). Der im Februar 2022 im «Walliser Boten» unter dem Titel «Make Grengiols Great Again!» veröffentlichte Text präsentierte die Idee eines Solarkraftwerks, das eine Milliarde Kilowattstunden generieren könne – und dies insbesondere im Winter. Konkret: Die Alpweiden von Grengiols, im Naturpark Binntal gelegen, sollten auf einer Fläche von 700 Fussballfeldern mit Solarpanels ausgestattet werden. Das von der Gemeinde Grengiols unterstützte Projekt würde den Strombedarf von mindestens 100000 Einwohnern abdecken. Vorteil: Die Effizienz der Panels wäre dank der Höhenlage und idealen Sonneneinstrahlung gross. Das Super-Solarkraftwerk von Grengiols hängig. «Zwar ist es möglich, riesige Anlagen in unberührten Gegenden zu bauen, aber auf politischer Ebene ist man nicht fähig, die Installation von Solarpanels auf Dächern, Parkhäusern oder Autobahnen vorzuschreiben», bedauert Clivaz. Im Gespräch mit Peter Bodenmann in seinem Hotel wischt dieser die Argumente beiseite. Berechnungen der Fachhochschule Westschweiz und der Universität Genf zufolge soll der Stromtransport von Grengiols ins Tal technische Probleme verursachen? «Diese Leute sind nicht informiert», antwortet Bodenmann. Die Umweltauswirkungen? «Die Kollektoren werden die Biodiversität fördern, indem sie geschützte Wärmezonen schaffen. Wir haben ein Problem im Winter. Aber genau im Winter produzieren Panels, die in hohen Lagen installiert sind, viermal mehr Energie als im Tiefland», sagt Bodenmann. (SH) Richtung. «In Höhenlagen verdoppelt sich der Ertrag von Sonnenkollektoren», argumentiert er. Solarpanels auf Zügen und Autobahnen Für den Ingenieur und EPFL-Professor Jean-Louis Scartezzini sollten Solarpanels freilich in allererster Linie auf Autobahnen, Dächern und Zügen installiert werden, denn dies seien Flächen, die bereits ans Stromnetz angeschlossen sind und sich in Verbrauchernähe befinden. Er verweist dabei auf das 850 km2 grosse Strassennetz der Schweiz und die Dachflächen, die 500 km2 ausmachen. Aber auch er findet, dass ein Gleichgewicht zwischen Energieproduktion und Umweltschutz gefunden werden muss. «Seit 1990 hat die Schweiz zwei Drittel der Insektenmasse verloren, mit unabsehbaren Folgen für die Biodiversität und das Leben im Allgemeinen. Das darf nicht ausser Acht gelassen werden.» Die Umwandlung von Alpweiden in Solaranlagen würde somit ein im Vergleich mit den Zielen unverhältnismässig hohes Risiko darstellen. «Die Anlage könnte sofort realisiert werden», erklärte der Walliser CVPStänderat Beat Rieder gegenüber der Presse. Er hatte Peter Bodenmanns Idee nach Bern getragen, was im September im Parlament in Rekordzeit zu den Beschlüssen zugunsten der Solarenergie führte. Doch das Projekt löste Wellen der Opposition von Umweltschutzorganisationen aus, etwa der Fondation Franz Weber. Aber selbst die Akademien der Wissenschaften Schweiz riefen zu Zurückhaltung auf. Der Walliser Nationalrat Christophe Clivaz (Grüne) kritisiert, dass hier ein Projekt ohne vorherige Machbarkeitsstudie gestartet werde. Er sagt, der Transport des erzeugten Solarstroms ins Tal könne gar nicht in der im dringlichen Bundesgesetz festgelegten Frist realisiert werden. Gemäss Gesetz ist die Finanzierung jedoch von einer Betriebsaufnahme bis 2025 abDie alpine Landschaft bei Grengiols heute (linkes Bild) – und die Visualisierung der Projektidee durch die IG Saflischtal. Sie steht dem Ansinnen kritisch gegenüber. Bildmaterial IG Saflischtal «Vor vierzig Jahren waren wir die Prediger in der Wüste. Jetzt sind die Bedingungen für erneuerbare Energien und insbesondere für die Fotovoltaik günstig.» Jean-Louis Scartezzini Ingenieur und EPFL-Professor Schweizer Revue / Januar 2023 / Nr.1 6 Schwerpunkt
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