steuern nur vereinzelt der Fall. Der steuerliche Einfluss auf die Wahl des Autos ist daher gering. «Wer in Frankreich ein schweres, umweltschädliches Fahrzeug kauft, das mehr als 225 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstösst, muss eine nach einem exponentiellen Malus-System berechnete sehr hohe Steuer von bis zu 50 000 Euro bezahlen», sagt dazu Luca Maillard, Spezialist für Fahrzeugbewertung beim Verkehrs‑Club der Schweiz (VCS). Die Elektrifizierung der Mobilität ist Teil der Lösung für das vom Bundesrat für 2050 anvisierte Netto-null-Ziel. Jedoch unterscheiden sich die Mittel und Wege hin zur Dekarbonisierung je nach den an der Debatte beteiligten Akteur:innen grundlegend. Der TCS appelliert an die öffentlichen Institutionen, den Kauf von Elektrofahrzeugen und die Installation von privaten Ladestationen zu unterstützen. Der VCS fordert das genaue Gegenteil: Er befürwortet die Abschaffung von Fördermassnahmen, wie die Befreiung von der Importsteuer, bis zum Jahr 2025. Auch Kaufprämien wie beispielsweise im Wallis lehnt er ab. Dort erhielten 2022 mehr als 4000 Personen eine Prämie zwischen 2500 und 5000 Franken für den Kauf eines E-Autos. Dieses System gibt es mittlerweile nur noch im Tessin. Importeure umgehen CO²-Regeln Der VCS hofft auf Vorschriften, durch die das Angebot an umweltschädlichen Fahrzeugen – ob elektrisch oder nicht – reduziert würde. Er kritisiert das immer noch angewandte und an EU-Regeln angelehnte System, das es Importeuren ermöglicht, ihre für die Umwelt guten wie schlechten Käufe zu bündeln, um die gesetzlich festgelegten Durchschnittswerte (maximal 118 Gramm CO₂/km) zu erreichen. So verkaufte Tesla 2020 zwar mehr als 6000 Fahrzeuge mit einem Zielwert von 0 Gramm CO₂, trat diese Bilanz aber an Fiat-Chrysler ab, sodass dieser Konzern Fahrzeuge mit hohen CO₂-Emissionen verkaufen konnte, ohne grössere Geldbussen zahlen zu müssen, kritisiert der VCS. Diese Bussen beliefen sich 2021 auf 100 Millionen Franken. «Doch diese Sanktionen fallen beim Verkauf von SUVs aufgrund der hohen Margen bei diesen Fahrzeugen kaum ins Gewicht», sagt Luca Maillard. Mehr als die Hälfte der verkauften E-Autos seien SUVs. Diese mit 0 Gramm CO₂ angesetzten Modelle werden mit bis zu 700 Kilogramm schweren Batterien betrieben. Die SUVs bringen dadurch 2,5 Tonnen auf die Waage. Diese Kolosse würden die ganzen ökologischen Gewinne zunichtemachen, denn die Energie, die für ihre Herstellung und ihre Leistung aufgewendet werde, lasse die Waage in die falsche Richtung kippen. Mario Paolone kontert aber: «Im Grunde genommen ist ein ‹E-Tank›, also ein elektrischer SUV, weitaus effizienter und weniger umweltschädlich als ein kleines Auto mit Verbrennungsmotor, vor allem wenn das Auto mit Strom aus erneuerbaren Quellen aufgeladen wird.» Nach Angaben des VCS stösst ein E-Auto in der Schweiz im Durchschnitt das Äquivalent von 20 Gramm CO₂/km aus. Der Wert stützt sich auf den Strommix der Schweiz, der zu einem guten Teil erneuerbare Energien enthält. Er ist beispielsweise sechsmal besser als in Polen. Einschliesslich aller Aufwendungen kostet ein Elektroauto gleich viel wie ein Benzinfahrzeug. Die eigentliche Gewinnerin ist aber die Umwelt, denn nach rund 30000 gefahrenen Kilometern verbessert sich die anfänglich schlechtere CO₂-Bilanz von Elektrofahrzeugen deutlich. Und sie wird noch besser, sobald die mit E-Autos in Verbindung stehenden Gebäude mit Solarpanels ausgestattet sind. «Es ist durchaus möglich, auf Solarenergiebasis zu fahren und für vier Franken vollzutanken», rechnet der Walliser Ingenieur Arnaud Zufferey vor. Die Herausforderung: Abbau und Recycling von Lithium «Die Elektrifizierung der Mobilität hat bisher noch keine nennenswerten positiven Auswirkungen auf die Umwelt gehabt», urteilt hingegen der VCS, der sich für eine stärkere Förderung des öffentlichen Verkehrs einsetzt. Ein trübes Kapitel ist zudem die Batterieherstellung. Weltweit mangelt es zwar nicht an den benötigten Lithiumvorkommen. Das Problem liegt aber im umweltschädlichen Abbau und Transport des Metalls, sagen die Spezialisten. Die Lösung für diese schwerwiegenden ökologischen und gesellschaftlichen Probleme dürfte das Batterie-Recycling sein. Nach den Vorgaben der Europäischen Union sollen bis 2035 zwischen 70 und 95 Prozent der in Batterien vorhandenen Metalle – Kobalt, Blei, Lithium, Nickel – wiederverwertet werden. Und wie sieht es mit der Energieversorgung aus? Bestünde die gesamte Fahrzeugflotte zu 70 Prozent aus E-Autos, würde der Stromverbrauch um 7 TWh steigen. Der Gesamtstrombedarf in der Schweiz liegt derzeit laut einer 2022 veröffentlichten Studie bei 60 TWh. «Bis 2050 wäre dies also eine Erhöhung von 11 Prozent. Das ist durchaus machbar, insbesondere mit einer starken Ausweitung der Fotovoltaik», sagt Mario Paolone. Ein Brocken Spodumen. Aus diesem Mineral lässt sich das Alkalimetall Lithium gewinnen. Der oft wenig umwelt- freundliche Abbau der Mineralien ist eine der Kehrseiten der Elektromobilität. Foto Keystone Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 19
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