EVELINE RUTZ Nach dem Erdbeben im Februar mussten die Menschen im bürgerkriegsgeplagten Syrien lange auf Hilfe warten. Im Grenzgebiet zur Türkei stand lediglich ein Übergang offen. Dies wegen Machthaber Bachar al-Assad: Er will humanitäre Leistungen ausschliesslich über Damaskus abwickeln, um sie kontrollieren zu können. «Es gelangt nicht genügend Hilfe zu den Männern, Frauen und Kindern in Not», kritisierte die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl in den ersten Tagen nach der Katastrophe. Der Uno-Sicherheitsrat machte Druck, worauf das Regime zwei weitere Zugänge öffnete. Das Beispiel zeigt, was das Gremium bewirken kann. Es kann in konfliktreichen Situationen humanitäres Leid lindern. Seit Anfang Jahr entscheidet die Schweiz im Sicherheitsrat mit. Pascale Baeriswyl bringt deren Positionen in den täglichen Sitzungen ein. Die erfahrene Diplomatin leitet seit 2020 die ständige Mission am Uno-Hauptsitz in New York. Das Engagement im Sicherheitsrat wird bis 2024 dauern. Aus der Sicht Die Schweiz sucht die Rolle der Vermittlerin Für zwei Jahre wirkt die Schweiz im Uno-Sicherheitsrat mit. Ihr Engagement kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt. Dass Russland gegen die Ukraine Krieg führt, fordert das Gremium, das den Weltfrieden wahren soll, enorm heraus. Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl während der Fahnenzeremonie anlässlich der Aufnahme der Schweiz in den Sicherheitsrat. Foto: Keystone von Aussenminister Ignazio Cassis übernimmt die Schweiz damit «eine starke Rolle». Sie bringe ihre Erfahrung als friedliches, multikulturelles Land ein und verteidige Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Vom Krieg in der Ukraine überschattet Die Schweiz ist im Sicherheitsrat eines der zehn nichtständigen Mitglieder. Die USA, Grossbritannien, Frankreich, Russland und China bilden den einflussreichen Kern der ständigen Mitglieder. Sie haben ein Veto-Recht: Sie können Entscheide blockieren und daher auch nur beschränkt sanktioniert werden. Was das heisst, zeigte sich im Februar 2022, als Russland in der Ukraine einmarschierte. Der Sicherheitsrat sah sich damit konfrontiert, dass sich ein prominentes Mitglied über zentrale Prinzipien der Uno hinwegsetzt und Völkerrecht verletzt. Er sei überflüssig, monierten Kritiker. Er habe seinen Gründungszweck, den Weltfrieden zu wahren, nicht erfüllt. Und Generalsekretär António Guterres sagte, die Welt stehe am Abgrund und bewege sich in die falsche Richtung. Mehrere Staaten forderten Wladimir Putin auf, das Töten zu beenden und stellten Russland an den Pranger: Weitere Möglichkeiten boten sich ihnen nicht. «Die präventive Funktion ist beschränkt» Tatsächlich ist der Handlungsspielraum des Rates begrenzt. Er kann wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen erlassen. Er kann zudem militärische Operationen durchführen, sofern ihm einzelne Mitglieder Soldaten zur Verfügung stellen. «Wenn man das Hauptmandat des Sicherheitsrates betrachtet, nämlich das Verhindern von Krieg, dann erfüllt er sein Mandat nicht gut genug», sagte Baeriswyl gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen, SRF. Das sei sehr bedauerlich. Die präventive Funktion des Rats sei beschränkt. Er sei jedoch immer wieder in der Lage, Schaden zu mindern. So habe er mit humanitären Korridoren bereits Millionen von Menschen das Leben gerettet. «Neutralität bedeutet nicht fehlende Solidarität» Die Schweiz hat sich für die zwei Jahre ihrer Mitgliedschaft vier Ziele gesetzt: Sie will nachhaltigen Frieden fördern, die Zivilbevölkerung schützen, die Effizienz stärken und Klimasicherheit angehen. Sie sei mit den Werten der Staatengemeinschaft eng verbunden, sagte Bundesrat Cassis im Herbst in New York. Entsprechend scharf verurteile sie die russische Aggression gegen die Ukraine. Die Schweiz sei ein neutrales Land. Aber: «Neutralität bedeutet nicht Prinzipienlosigkeit, nicht fehlende Solidarität.» Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 24 Politik
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