dem Kosovo stammender Vater Hysni ist Kranführer und Maurer. Seine Mutter Elda, eine gebürtige Albanerin, arbeitet nach dem Umzug der Familie nach Broc in der Schokoladenfabrik von Cailler. In dieser Gemeinde im Greyerzbezirk wächst Gjon auch auf. Beim Klavierunterricht erwacht seine Liebe zur Musik. Zwei Jahre später, so die Geschichte, singt er seinem Grossvater «Can’t Help Falling in Love» von Elvis Presley vor, was diesen zu Tränen rührt. So entstand sein Künstlername, wobei englisch ausgesprochen aus Gjon «John» wird. Einflüsse von The Cure und Björk Der Künstler – man darf ihn einen lyrischen Sänger nennen – lässt sich durch verschiedene Genres inspirieren. Das Cover seines Albums zeigt ihn im schwarzen Gehrock und Dr. Martens an den Füssen – eine Verneigung vor New Wave und The Cure im Besonderen. In «The Game» scheint zugleich seine Liebe zur Discomusik durch. Gjon’s Tears, der als Kind Bach spielte und sich mit Jodeln und indischem Gesang versuchte, nennt als Einflüsse auch Cesária Évora, Grace Jones, Björk und David Bowie. Die Tonalität und die Tiefe seiner Songtexte verleihen seinem Pop eine poetische, literarische Färbung. Wenn er allein am Klavier spielt, erinnert Gjon auch an die französische Chansonnière Barbara, an Jacques Brel und an den Belgier Stromae. Mit seiner Sammlung «Ramuz Graphique» ist dem Verlag Helvetiq ein Geniestreich gelungen: Sie erweckt das literarische Erbe der Schweiz durch Graphic Novels zu neuem Leben – Comics in Buchform, deren zeichnerischer Umsetzung keine Grenzen gesetzt sind. «So werden junge Leute mit Klassikern vertraut gemacht und bekommen Lust, das Original zu lesen», erklärt Verlagschef Hadi Barkat. Der vom Neuenburger Quentin Pauchard illustrierte Roman «Die grosse Angst in den Bergen» erschien im April und ist das zweite Buch in dieser Serie. Er entführt uns auf die Alp Sasseinère im Wallis, auf deren saftigen Wiesen eine Handvoll Sennen ihr Vieh weiden wollen. Dort hatten 20 Jahre zuvor mehrere Menschen unter mysteriösen Umständen ihr Leben verloren. Seither war die Alp verlassen. Schon nach einigen Tagen erkranken die Kühe. Der Dorftierarzt verhängt eine Quarantäne. Angst und Aberglaube schleichen sich ein. Die Alp wird zum Gefängnis. Quentin Pauchard, der in Val-de-Ruz (NE) geboren wurde, begab sich in Evolène (VS) auf Spurensuche, um die Stimmung des Romans einzufangen: «Wie viele junge Schweizerinnen und Schweizer habe ich die Romane von Ramuz in der Schule gelesen. Im Gedächtnis geblieben sind sie mir aber nicht. Als Erwachsener habe ich sie wiederentdeckt und den Wunsch verspürt, sein Werk einem grösseren Leserkreis zugänglich zu machen, zugleich aber seinem Wesen treu zu bleiben.» Seine flächigen, in dunklen Farbtönen gehaltenen, zuweilen von rosafarbenem und gelbem Sonnenlicht erhellten Illustrationen nehmen einen bei der Hand. Wir verzweifeln mit der jungen Victorine, die alle Risiken in Kauf nimmt, um zu ihrem auf dem Berg gefangenen Geliebten zu gelangen. Die Ängste der Männer verwandeln sich in Gespenster, die tief in der Nacht aufs Dach klopfen. Die Krankheit geht um. Der nährende Berg bedroht die Männer. Das Buch macht in der Tat Lust, wieder einmal Ramuz zu lesen. Gleiches gilt für «Derborence», den 2022 erschienenen ersten Band der Serie «Ramuz Graphique». Er erzählt die Geschichte einer Alp im Zentralwallis, die 1714 von einem Bergsturz verschüttet wurde. 15 Menschen und mehrere Hundert Tiere verloren dabei ihr Leben. «Ramuz hat eine skizzenhafte Erzählweise», erklärt der junge Genfer Zeichner Fabian Menor. «Landschaften und zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt er nur sparsam, das Szenario legt er nur in Grundzügen dar. Beim Lesen von «Derborence» habe ich all diese Lücken mit meiner Fantasie gefüllt. Mit meinen Illustrationen zeige ich, was Ramuz nicht geschrieben hat.» Die Serie ist es wert, entdeckt zu werden. STÉPHANE HERZOG «Die grosse Angst in den Bergen» CHARLES FERDINAND RAMUZ / QUENTIN PAUCHARD, «DIE GROSSE ANGST IN DEN BERGEN», CHF 35.00 GJON’S TEARS: «The Game», 2023, Jo&Co, Paris; CD (EAN 3700187680213) ou vinyl (EAN 3700187680220) Schweizer Revue / August 2023 / Nr.4 29 Gelesen
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