schen Sprache zurückgedrängt. In den Bündner Tälern spricht die Bevölkerung bis heute fünf verschiedene Idiome. Mit dem «Rumantsch Grischun» wurde in den 1980er-Jahren eine gemeinsame Schriftsprache entwickelt, die seit 2001 als romanische Amtssprache dient. Vielsprachige Gesellschaft Die Ausstellungsmacher erinnern daran, dass auch weitere Sprachen in der Schweiz eine weit zurückreichende Geschichte haben – darunter das Jenische, das sich in der Ausstellung auf einer Holztafel entziffern lässt. Weiter zeugt ein Stickmuster– tuch mit hebräischen Buchstaben davon, dass bis im letzten Jahrhundert in den Gemeinden des Aargauer Surbtals ein westjiddischer Dialekt gesprochen wurde. «Sprachenland Schweiz» thematisiert darüber hinaus die sprachliche Vielfalt in der heutigen Gesellschaft – über die vier offiziellen Landessprachen hinaus. Mehr als 20 Prozent der Bevölkerung gibt als Erstsprache eine nichtnationale Sprache an. Und zwei Drittel beherrschen mehr als eine Sprache. In der Ausstellung kommen neun Menschen zu Wort, die eine besondere Beziehung zur Mehrsprachigkeit haben – unter ihnen der aus dem Irak stammende Schweizer Schriftsteller Usama Al Shahmani: «Auf Deutsch zu schreiben, ist für mich eine Art des Ankommens.» Alle Videoporträts sind auf der Webseite der Ausstellung abrufbar – samt Untertiteln in fünf Sprachen. 15 THEODORA PETER Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch – oder Englisch: Die Besucherinnen und Besucher wählen gleich zu Beginn, in welcher Sprache sie sich per Audioguide durch die Ausstellung begleiten lassen. Die Stimmen aus dem Kopfhörer laden zunächst dazu ein, die Geräuschkulisse in einem virtuellen Bahnhof zu erkunden. Bewegt man sich durch den Eingangsbereich, ertönen Satzfetzen und Dialoge in verschiedensten Sprachen und Dialekten. Druck zu Standardisierung Die Ausstellung im Landesmuseum illustriert anhand von Objekten und Tondokumenten, wie sich die Sprachräume im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben. In der Romandie wurden die regionalen Mundarten, die sogenannten Patois, bis zum Ende Reden ist Gold: Kulturgut Sprache im Museum Die Vielsprachigkeit gehört zur Identität der Schweiz. Die Ausstellung «Sprachenland Schweiz» im Landesmuseum Zürich wirft einen kulturhistorischen Blick auf die Entwicklung der vier Sprachräume – und macht diese Klangwelten auch akustisch erfahrbar. Wie dieser Milchkarton aus den 1970er-Jahren werden auch heute die meisten Lebensmittel mehrsprachig beschriftet. In der EU ist dies seit 2021 nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben. Foto Museum für Gestaltung Zürich, ZHdK Die Karikatur aus dem Nebelspalter von 1917 zeigt eine entlang der Sprachgrenze gespaltene Schweiz. Die Mehrsprachigkeit wurde als trennender Faktor wahrgenommen. Illustration Nebelspalter Sprachenland Schweiz Landesmuseum Zürich Bis 14. Januar 2024 www.landesmuseum.ch/ sprachenland des 17. Jahrhunderts weitgehend vom Französischen verdrängt. Die zentralistische Sprachlenkung in Frankreich beeinflusste auch die Westschweiz: So zeugt ein Genfer Grammatikbuch von 1790 von der strengen Bereinigung der französischen Sprache von lokalen Begriffen und Ausdrücken. Auch in der Deutschschweiz führten die Reformation und der Buchdruck zur Verbreitung einer standardisierten Schriftsprache. Die Stigmatisierung der Mundarten war hier aber weniger ausgeprägt. Im 19. Jahrhundert setzte im Gegenteil eine Aufwertung der schweizerdeutschen Dialekte ein: 1881 entstand in der Deutschschweiz das erste Dialektwörterbuch. Und in der italienischsprachigen Schweiz begannen Tessiner Notare im 15. Jahrhundert, statt auf Latein in einer Mischsprache aus lokalem lombardischem Dialekt zu schreiben. Das von Dante geprägte toskanische Italienisch setzte sich schliesslich als Schrift- und Verwaltungssprache durch, bis es sich über die Schulen auch als gesprochene Sprache etablierte. Der rätoromanische Sprachraum wiederum, der einst bis zum Bodensee reichte, wurde früh von der deutSchweizer Revue / Dezember 2023 / Nr.6 Kultur
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