Schweizer Revue 6/2023

Die Wählerinnen und Wähler rückten die Schweizer Politik klar nach rechts: So lautet die Kürzestzusammenfassung der Wahlen vom 22. Oktober 2023. Die grösste und rechtskonservative Partei, die SVP, jubelt. Aber ist es ein simpler Rechtsrutsch? Zugelegt hat auch die sozialdemokratische Partei. Wenn rechts und links zulegen, reicht die ganz simple Antwort nicht. Ein Deutungsversuch für die Stärkung beider Pole: Seit den Wahlen von 2019 haben sich die Weltlage und die Grundstimmung im Lande enorm verändert. Die Pandemie setzte Selbstverständliches ausser Kraft; der Angriff Russlands auf die Ukraine pulverisierte geopolitische Gewissheiten; der Gewaltausbruch im Nahen Osten schockiert; und dazwischen zersetzte die Implosion der Grossbank Credit Suisse und die Explosion von Wohnungsmieten und Gesundheitskosten den Glauben an eine Schweiz der Prosperität und Stabilität. Es ist nicht, wie es sein sollte. In solchen Zeiten punkten Parteien, die Schutz versprechen, sagt Politologe Michael Hermann: «Die SP sagt: Wir schützen euch vor hohen Kosten. Und die SVP: Wir schützen euch vor Migration und anderem Unbill auf der Welt.» Die Verlierer hingegen, zu denen diesmal die Grünen, die Grünliberalen und der Freisinn zählen, wollten die Menschen in die Pflicht nehmen: zu verzichten, sich den Veränderungen zu stellen oder mehr zu leisten. – Die Mehrheit, 53,4 Prozent der Stimmberechtigten, liess 2023 das Wählen bleiben, wollte nicht in die Pflicht genommen werden, nicht mitbestimmen. Für sie ist Politik das Business der anderen. Wollen wir hier kurz den Rückzug ins Unpolitische durchspielen? Ich könnte etwa verraten, warum mir die Rösti so oft so gut gelingt. Der Teufel liegt im Detail: Kartoffel ist nicht gleich Kartoffel! Am besten eignen sich leicht mehlig kochende Knollen. Diese kochen Sie zunächst, aber – wichtig! – nur al dente. Dann darf man sie für zwei, drei Tage im Kühlschrank vergessen: Sie verlieren dabei Feuchtigkeit und erhalten die perfekte Konsistenz. Anschliessend geraffelt – mit etwas Pfeffer, genügend Salz und verschwenderisch viel Butter – ab in die Bratpfanne und ohne zu rühren bei mässiger Hitze brutzeln lassen! Und das nächste Mal fügen Sie beim Würzen – Geheimtipp! – etwas Pfefferminze bei. Gelingt sie perfekt, kann die Rösti Glücksgefühle auslösen. Das Pech ist bloss: Sogar die Rösti ist politisch. Heuer war die Kartoffelernte in der Schweiz miserabel. Agrarfachleute reden bereits vom nahenden Ende: Bis in etwa 100 Jahren lasse sich die Kartoffel hierzulande gar nicht mehr anbauen (Seite 9). Der Klimawandel – und damit die Politik – wirkt ganz konkret bis in die Küche, selbst dann, wenn wir an der Wahlurne nichts davon wissen wollen. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR 4 Schwerpunkt Wahlen 2023: Das Parlament wird deutlich rechtskonservativer 8 Herausgepickt / Nachrichten Zu Besuch in der Schweizer Postfiliale des Weihnachtsmanns 10 Natur und Umwelt Der Klimawandel setzt der Kartoffel zu, was den Streit ums Wasser anheizt 14 Literaturserie 15 Kultur Der kulturhistorische Blick auf die Sprachenvielfalt der Schweiz 16 Porträt Die 73-jährige «Klimaseniorin» Rosmarie Wydler-Wälti fordert die Schweiz heraus 18 Wissen Wie beschleunigt man ein Elektromobil in einer Sekunde von 0 auf 100 km/h? 20 Reportage Der Staat schützt mit einem uralten Monopol das Schweizer Salz 23 Gelesen/Gehört 24 Aus dem Bundeshaus Die internationale Ausstrahlung der Schweizer Kunst 27 SwissCommunity-News 31 Diskurs Rechtsrutsch & Röstirezept Titelbild: Wahlen 2023 – Max Spring zeichnet für die «Schweizer Revue». www.maxspring.ch Herausgeberin der «Schweizer Revue», des Informationsmagazins für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation. Schweizer Revue / Dezember 2023 / Nr.6 3 Editorial Inhalt

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