Schweizer Revue 6/2023

könnten. Bütikofer verweist dabei auf den breiten Kompromiss zum Klimagesetz, der von allen Parteien – ausser der SVP – getragen wurde. Noch offen blieb nach dem Wahlsonntag die definitive Verteilung der 46 Sitze im Ständerat. 13 Sitze wurden erst in zweiten Wahlgängen Mitte November vergeben – nach Redaktionsschluss dieser «Revue». Dann zeigt sich im Gesamtbild auch, zu welchen Gunsten in der Kleinen Kammer das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen FDP und Mitte ausgeht. Klar ist, dass der Ständerat auch künftig von konservativen Kräften dominiert wird. Bereits in den letzten vier Jahren bremste der Ständerat den progressiveren Nationalrat immer wieder aus – zum Beispiel bei einer grosszügigeren Finanzierung von Kindertagesstätten. Mit dem Rechtsrutsch im Nationalrat nähern sich die beiden Parlamentskammern politisch an. Bundesratswahlen im Dezember Das neu zusammengesetzte Parlament nimmt seine Arbeit Anfang Dezember auf. Zum Start der Legislatur werden am 13. Dezember auch die Mitglieder der Landesregierung für eine neue Amtsperiode gewählt. Im Fokus steht dabei die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin des zurücktretenden SP-Bundesrates Alain Berset. Der Sitz-Anspruch der Sozialdemokraten als zweitstärkste Partei wird von den anderen Parteien nicht bestritten. Gemäss der sogenannten Zauberformel haben die drei wählerstärksten Parteien Anspruch auf je zwei Sitze, die viertstärkste Partei auf einen Sitz. Die bisherige parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates – 2 SVP, 2 SP, 2 FDP, 1 Mitte – behält nach dieser Logik weiterhin ihre Gültigkeit. Auch die beiden amtierenden FDP-Bundesräte – Aussenminister Ignazio Cassis und Finanzministerin Karin Keller-Sutter – können im Dezember mit einer Wiederwahl rechnen. Angesichts der erstarkten Mitte dürfte jedoch die Diskussion um die Zauberformel früher oder später wieder aufflammen. Die Fünfte Schweiz wählte markant grüner und etwas linker Wie wählten am 22. Oktober 2023 die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer? Sie wählten markant grüner, etwas linker und etwas liberaler als das in der Schweiz lebende Elektorat. Konkret: In der Fünften Schweiz sicherte sich die SP mit 20,4 % den grössten Wähleranteil (im Vergleich dazu das Schweizer Gesamtergebnis: 18,3 %). Danach folgt die SVP mit 18,5% als die in der Fünften Schweiz stärkste bürgerliche Kraft (CH: 27,9%). Dicht auf den Fersen waren ihr die Grünen mit 18,4% (CH: 9,8%). Die FDP kam auf 13,6 % (CH: 14,3 %). Stärker als im Inland schnitten mit 11,4% die Grünliberalen ab (CH: 7,6%). Dagegen musste sich die Mitte mit einem Wähleranteil von 7,7 % bescheiden (CH: 14,1%). Gegenüber den Wahlen 2019 rückte auch die Fünfte Schweiz etwas nach rechts, aber weniger markant als die Gesamtschweiz: SP, Grüne und Grünliberale sicherten sich etwas mehr als 50 % aller Wählerstimmen. Vor vier Jahren waren es fast 53%. Erfolglos blieben die kandidierenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Ihre Wahlergebnisse waren zumeist bescheiden, ein Sitz im Nationalrat blieb für sie in weiter Ferne. Mehr noch: Kandidierende, die 2019 zum Teil mit respektablen Resultaten auffielen, gingen 2023 in der enormen Flut von Wahllisten und Kandidaturen unter. Eine Auffälligkeit schliesslich bei der Wahlbeteiligung der Fünften Schweiz: Sie lag in vielen Kantonen tiefer als vor vier Jahren. In Basel-Stadt, wo testweise elektronisch gewählt werden konnte, lag sie aber signifikant höher, bei 23,8 % (2019: 19,2 %). Auch im E-Voting-Testkanton St. Gallen stieg die Stimmbeteiligung leicht. MARC LETTAU Für die Politologin lässt sich die Situation heute nicht mit derjenigen vor vier Jahren vergleichen: «2019 lag eine progressive Stimmung in der Luft, das Thema Klima war allgegenwärtig und bewog viele Personen, ihre Stimme einer Partei mit ‹Grün› im Namen zu geben.» Seither habe sich die Weltlage völlig verändert. Mit der Pandemie, kriegerischen Konflikten und zuletzt dem Niedergang der Grossbank Credit Suisse: «Eine Krise folgte auf die andere.» Hinzu kommt, dass die Grünen die Klima- und Umweltpolitik nicht mehr exklusiv für sich beanspruchen Zur Resultate-Übersicht des Bundesamtes für Statistik: revue.link/wahlen2023 Noch nie gab es so viele Kandidierende wie bei den Wahlen 2023: Insgesamt bewarben sich 5909 Personen für einen der 200 Nationalratssitze. Ihre Namen figurierten auf 618 Listen – auch das ein neuer Rekord Schweizer Revue / Dezember 2023 / Nr.6 6 Schwerpunkt

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