Schweizer Revue 3/2024

Nico Elvedi Svenja Fölmli «deutlich öfter von Diskriminierung im Verein betroffen» seien als Menschen ohne Migrationshintergrund, «jedes zehnte immigrierte Mitglied berichtet davon». Und was ebenfalls im Schatten steht, um nicht zu sagen: Diskriminiert wird – der Fussball der Frauen. Mit der Gleichstellung der Geschlechter im Fussball tut sich die Schweiz schwer. Immerhin gibt es ein Bewusstsein dafür. Zum Start der Frauen-WM im Sommer 2023 veröffentlichte der SFV ein Filmchen, das eine Familie am Esstisch zeigte. Die Tochter fragte den Vater, ob sie die WM schauen würden, worauf der Vater sagte: «Diesen Sommer ist keine WM.» Die Tochter blieb beharrlich, worauf der Vater merkte: Aha, die Frauenauswahl. Seine Gegenfrage: «Kennt man die?» Eigentlich schon. Ramona Bachmann spielte bis vor kurzem bei Paris Saint-Germain, einem Spitzenteam der französischen Division 1 Féminine, und ist seit Neustem bei den Houston Dash (USA) in der National Women’s Soccer League; Lia Wälti spielt bei Arsenal, einem Spitzenteam der englischen FA Women’s Super League; Riola Xhemaili spielt beim VfL Wolfsburg, einem Spitzenteam der deutschen Bundesliga. Aber es ist wie einst bei Murat Yakin: Der Frauenfussball erfährt in der Schweiz «keine beschleunigte Behandlung». Zu wenig «erhebliches öffentliches Interesse»? Vom Profitum ist die Women’s Super League weit entfernt. Im Nachwuchs ist laut Insidern keine Spur von Chancengleichheit für Mädchen und Buben betreffend Trainerqualität oder Zugängen zu Schul-und-Sport-Lösungen. Wenn Frauen den Aufbau von Mädchenteams forcierten, kam’s schon vor, dass Männer fragten, ob sie nicht endlich aufhörten damit. Und in manchen Klubs ist es noch immer so: Männer bekommen die besseren Trainingszeiten, eher neue Trikots und öfter Meisterschaftsspiele auf dem Hauptfeld. Es gibt noch immer wenig Trainerinnen, weil es vor 20 Jahren auch noch viel weniger Fussballerinnen gab; und es gibt noch kaum Kurse für Trainerinnen, obwohl Frauen schon mehrfach darauf hingewiesen haben, dass es nicht immer angenehm sei, als einzige Frau in einen Trainerkurs zu kommen. Alles ganz normal? Ausgerechnet in der Förderung des Frauenfussballs hinkt das Integrations-Vorbild anderen europäischen Ländern hinterher. Im Sommer 2025 findet in der Schweiz die Europameisterschaft der Frauen statt, es soll ein Fest werden mit lauter ausverkauften Spielen, mit prall gefüllten Restaurants, in denen Schweizerdeutsch geredet wird oder Französisch oder Italienisch oder Albanisch et cetera; Autos mit Schweizer Nummern; Fans mit Schweizer Fahnen oder roten Trikots des Schweizer Frauen-Fussballnationalteams. Der Sommer 2025 wird die Prüfung sein, ob der Integrationsmotor des Schweizer Fussballs stark genug ist, um auch Frauen stärker einzubinden. *Der Autor begleitete als Journalist das Schweizer Männer-Nationalteam von 2004 bis 2024. Fotos Seiten 14 bis 16: Alamy, Players Forumfree, Schweizerischer Fussballverband/football.ch Fabian Schär Remo Freuler Céderic Zesiger Alisha Lehmann Noah Okafor Lia Wälti Ramona Bachmann Riola Xhemaili Schweizer Revue / Mai 2024 / Nr.3 Sport 16

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