Schweizer Revue 3/2024

Immer mehr Schweizer Familien leben in Sorge, finanziell nicht über die Runden zu kommen. Dieser Satz – so schlicht, wie er dasteht – wirkt etwas befremdlich. Immerhin reden wir von Familien, die in der Schweiz leben, also in einem der weltweit reichsten Länder. Haben wir es hier mit dem Gejammer von Verwöhnten zu tun? Haben die Besorgten aus den Augen verloren, was materielle Not anderswo – ausserhalb der Wohlstandsinsel Schweiz – bedeutet? Die rhetorischen Fragen sind nicht angezeigt: Den Besorgten ihre Sorgen abzusprechen, macht diese noch lange nicht zuversichtlich. Darum die Wiederholung: Trotz beeindruckend hoher Löhne und trotz guter Beschäftigungslage leben in der Schweiz bis weit in den Mittelstand immer mehr Familien in Sorge, finanziell nicht über die Runden zu kommen. Was ist da schiefgelaufen? Eine mögliche, flüchtige Deutung des Phänomens: Die Schweiz leistet sich in vielen Bereichen sehr hohe Standards. Entsprechend beeindruckend ist, was auf dem Preisschild vieler Güter und Dienstleistungen steht. Vor allem aber besteht oft keine andere Wahl, als sehr tief ins Portemonnaie zu greifen. Das merken insbesondere viele Mieterinnen und Mieter: Wollen sie angesichts der in der Schweiz astronomisch hohen Mietkosten sparen, nützt ihnen ihre Bescheidenheit nichts. Denn Wohnungen für Anspruchslose werden hierzulande gar nicht erst gebaut. Ähnliches gilt punkto Gesundheit: Die medizinische Versorgung ist formidabel, aber die Nation erkauft sie sich mit beeindruckend hohen Krankenkassenprämien. Wohnungsmiete und Krankenkasse sind für eine Vielzahl von Familien die beiden grössten Ausgabenposten im Familienbudget. Wir zeigen in unserem Schwerpunkt (ab Seite 4) auf, was sonst noch alles die materiellen Existenzängste befeuert, die inzwischen auch beim Mittelstand erwacht sind. Und wer liefert nun nach dem Sorgenthema den leichten, versöhnlichen Ausklang? Es ist diesmal Dayana Pfammatter. Die Jodlerin, die auch unsere Titelseite ziert, gilt in der Schweiz als Volksmusik-Pionierin. Sie ist die Erste, die – an der Hochschule Luzern – einen Masterstudiengang mit Hauptfach Jodeln abgeschlossen hat (Seite 10). Jene, die jetzt eine Akademisierung der Folklore befürchten, werden von der allerersten studierten Jodlerin des Landes eines Besseren belehrt: An Dayana Pfammatters Freude am Traditionellen und Bodenständigen hat das neu erworbene Wissen rein gar nichts geändert. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR 4 Schwerpunkt Trotz Wohlstand klagen in der Schweiz viele über das enorm teure Leben 8 Herausgepickt / Nachrichten Die Finanzlage der Armee ist derzeit vor allem reich an Fragezeichen 10 Kultur Auch als akademische Jodlerin bleibt Dayana Pfammatter der Tradition treu 12 Gesellschaft Der Gaza-Krieg spült in der Schweiz den Antisemitismus an die Oberfläche 14 Sport Fussball ist in der Schweiz seit Jahren auch ein Labor der Integration 18 Politik Das klare Ja des Volks zum Ausbau der AHV ist ein historisches Verdikt Nachrichten aus Ihrer Region 22 Gesehen «Nichts»: Eine Ausstellung, die rein gar nichts zeigt, aber vieles offenbart 24 Aus dem Bundeshaus Die Schweiz verfolgt das Ziel, immer mehr Leistungen digital anzubieten 27 SwissCommunity-News Die Fachhochschule Bern bietet der Fünften Schweiz ein E-Voting-Tool an Zwei neue Briefmarken stellen die Fünfte Schweiz in den Fokus 31 Diskurs Sorgen auf der Insel des Wohlstands Titelbild: Jodlerin Dayana Pfammatter. Foto Alain Amherd Herausgeberin der «Schweizer Revue», des Informationsmagazins für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation. Schweizer Revue / Mai 2024 / Nr.3 3 Editorial Inhalt

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