Gericht befindet: Schweizer Regierung verletzt mit ihrer Klimapolitik Menschenrechte Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg fällte am 9. April 2024 ein Urteil, das über die Schweiz hinaus Signalwirkung für den Klimaschutz haben dürfte: Das Gericht befand, die Schweizer Regierung verletzte mit ihrer Klimapolitik Menschenrechte. Geklagt hatte eine Gruppe von Schweizer Seniorinnen (siehe «Schweizer Revue»-Beitrag: «Zu wenig Klimaschutz: Ältere Frauen verklagen die Schweiz», 6/2023). Die Frauen argumentierten, der Staat habe eine vorsorgliche Schutzpflicht, müsse also das Recht auf Leben schützen. Mit seiner zu laxen Klimapolitik tue er das nicht. Der EMGR teilt nun diese Sicht. Indem die Schweiz früher gesetzte Ziele zur Senkung der CO2-Emissionen nicht durchsetze, tue sie zu wenig gegen die existenzielle Bedrohung, die vom Klimawandel ausgehe. Das Urteil könnte die Schweiz nun dazu zwingen, die Emission von Treibhausgasen stärker und rascher voranzutreiben (MUL) Schweiz und EU verhandeln über neues Abkommen Seit dem 18. März 2024 verhandeln die Schweiz und die Europäische Union (EU) wieder über ein Abkommen, das die gegenseitigen Beziehungen regeln soll. Den Verhandlungen ging eine lange Zeit der Ungewissheit voraus: Vor drei Jahren brach der Bundesrat einseitig die damals laufenden Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen mit der EU ab – und auf dieses Scheitern folgten langwierige Sondierungsgespräche. Deren Ergebnisse bilden nun die Basis für die eigentlichen Verhandlungen, die noch dieses Jahr abgeschlossen werden sollen. Ein leichter Gang dürfte der Prozess für die Schweiz nicht werden. So betonte Bundespräsidentin Viola Amherd bei Verhandlungsbeginn, es seien noch in vielen Teilfragen Lösungen zu finden. Für die Schweiz sind geregelte Verhältnisse zur benachbarten EU von grösster Bedeutung – für den freien Personenverkehr, den Warenverkehr, aber auch für Wissenschaft und Forschung. (MUL) Ausgezeichnete Dunkelheit im Naturpark Gantrisch Dem Naturpark Gantrisch, der Teile der bernischen und freiburgischen Voralpen abdeckt, ist im März von Dark Sky International das Label «Dark Sky Park» verliehen worden. Es ist das erste und einzige Gebiet in der Schweiz mit attestierter, nächtlicher Dunkelheit. Die geschützte Kernzone umfasst rund 100 km2. Projektleiterin Nicole Dahinden würdigt das Label als «grosse Wertschätzung für die Nachtdunkelheit». Und laut Lydia Plüss vom Förderverein Region Gantrisch werde damit das Engagement aller belohnt, «die sich für die Bewahrung der Nachtlandschaft einsetzen». Die nun zertifizierte Region ist auch ein wichtiges Durchzugsbiet für Vogelschwärme. Für sie – sowie für Lurche, Insekten und ganz generell für nachtaktive Spezies – ist die gewahrte Dunkelheit auch ein direkter Beitrag zum Artenschutz. Die «Schweizer Revue» hatte das Vorhaben bereits 2019 ausführlich vorgestellt: revue.link/nacht (MUL) Onur Boyman Monate nach einer Corona-Infektion leiden manche Menschen immer noch unter Langzeitfolgen: tiefe Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Gedächtnisprobleme. Das Bundesamt für Gesundheit bezeichnet dies als PostCovid-19-Erkrankung, andere sprechen von Long Covid. Warum sich ein Teil der Infizierten nicht erholt, gibt der Medizin Rätsel auf. Das Krankheitsbild besteht aus verschiedenen Symptomen und ist schwer fassbar, gesicherte Diagnosen und Therapien fehlen. Fest steht: Menschen mit Long Covid fallen oft längere Zeit am Arbeitsplatz aus; die Schweizer Invalidenversicherung verzeichnete bisher über 5000 Anmeldungen. «Für die Betroffenen ist es dramatisch», unterstreicht Onur Boyman, Professor für klinische Immunologie an der Universität Zürich. Als belastend empfinden sie auch, dass ihre Symptome oft als psychisch bedingt abgetan werden. Nun hat ein Team um Boyman in einer international beachteten, im Magazin «Science» publizierten Studie etwas über den Krankheitsmechanimus herausgefunden: Mitverantwortlich für Long Covid ist ein Teil des menschlichen Immunsystems, das sogenannte Komplementsystem. «Es kehrt bei Long-Covid-Patienten nicht mehr in den Ruhezustand zurück», erklärt der Immunologe. Der wild gewordene Zweig des körperlichen Abwehrsystems führt zu Schäden, deren Anzeichen die Forschenden im Blut nachweisen konnten. Das bedeutet: Long Covid könnte dereinst per Bluttest diagnostiziert werden. Auch eröffnen sich laut Boyman neue Wege, um gezieltere Therapien zu entwickeln. Bis dahin dauert es aber noch und braucht mehr Forschung. Der Stigmatisierung der Betroffenen haben die Zürcher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trotzdem bereits ein Stück Boden entzogen. SUSANNE WENGER Schweizer Revue / Mai 2024 / Nr.3 8 Herausgepickt Nachrichten
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