Schweizer Revue 4/2024

17 EVELINE RUTZ Der Wohnsitz und nicht die Nationalität ist massgebend, wenn es um die obligatorische Krankenversicherung geht. Wer in der Schweiz lebt, muss hierzulande versichert sein. Wer auswandert, muss sich in seiner neuen Heimat organisieren. Dank bilateraler Abkommen gilt dies nicht für jene, die aus der Schweiz in einen EU- oder EFTA-Staat ziehen. Von der Regelung ausgenommen sind ebenso Staatsangestellte, die ins Ausland entsandt werden. Betroffen sind hingegen Personen, die sich in Drittstaaten – etwa in Südamerika oder im asiatischen Raum – niederlassen. Sie müssen Zugang zur staatlichen Versicherung des Gastlandes finden oder eine private Versicherung abschliessen. «Das ist unfair», sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. «Viele dieser Ausgewanderten haben in der Schweiz jahrelang Prämien bezahlt und teilweise kaum Leistungen bezogen.» Am neuen Wohnort in die Grundversicherung aufgenommen zu werden, sei teuer und nicht immer möglich. Schwierigkeiten hätten insbesondere ältere und vorerkrankte Menschen. Sie würden – auch bei privaten Lösungen – oft nur mit Vorbehalt versichert. Das könne gravierende Folgen haben, sagt Schneider-Schneiter: «Im allerschlimmsten Fall wird ihnen die Behandlung verweigert.» In einigen Ländern werde man erst medizinisch versorgt, wenn man eine Versicherungskarte vorweise, sagt Ariane Rustichelli, Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO). «Das ist nicht akzeptabel und führt zu dramatischen Situationen.» Nicht selten kehren Erkrankte – sofern noch transportfähig – in ihre alte Heimat zurück. Sobald sie ihren Wohnsitz wieder in der Schweiz haben, profitieren sie von den Leistungen der hiesigen Krankenkassen. Viele der rund 290000 Schweizerinnen und Schweizer, die ausserhalb der EU/EFTA leben, sind bereits in einem fortgeschrittenen Alter, in dem gesundheitliche Probleme zunehmen. Viele sind finanziell nicht auf Rosen gebettet. Rustichelli: «Sie sind ausgewandert, weil ihnen das Leben in der Schweiz zu teuer ist.» Gerade im Alter sei es nicht leicht, sich an einem neuen Ort zurechtzufinden. Die geltenden Regelungen zur Krankenversicherung erschwerten diesen Schritt zusätzlich. Die Schweiz wiederum profitiere: «Weil unter anderem Prämienverbilligungen wegfallen.» Das Territorialprinzip sei mit Nachteilen verbunden, bestätigt Gesundheitsökonom Willy Oggier. In Brasilien und Thailand etwa würden Auslandschweizer und -schweizerinnen von den staatlichen Grundversicherungen ausgeschlossen. Auf Privatversicherungen zu wechseln, sei nur «Im schlimmsten Fall wird Kranken die Behandlung verweigert» Wer in ein Land ausserhalb der EU/EFTA auswandert, kann nicht in der Schweiz krankenversichert bleiben – und läuft Gefahr, zwischen Stuhl und Bank zu fallen. ASO-Direktorin Ariane Rustichelli sagt, dass die Schweiz von guter Pflege vor Ort profitiere: «Weil unter anderem Prämien-­ verbilligungen wegfallen». Der heutige Zustand sei für etliche der Ausgewanderten «unfair», sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter: «Sie haben in der Schweiz jahrelang Prämien bezahlt.» möchte, dass der Bundesrat eine Auslegeordnung vornimmt und Lösungen aufzeigt. Sie hat einen Vorstoss eingereicht. Ihrer Meinung nach sollten Ausgewanderte vermehrt vor Ort versorgt werden können: «Wenn weniger zurückkehren, nützt das auch den Krankenkassen – sie sparen.» Ariane Rustichelli wünscht sich ebenfalls eine politische Debatte. «Eine Analyse der aktuellen Situation wäre dafür eine gute Grundlage», sagt begrenzt möglich. Private Angebote seien häufig limitiert. Sie richteten sich beispielsweise ausschliesslich an Unter-70-Jährige und setzten in der Regel eine Gesundheitsprüfung voraus. Als Folge davon würden bei bestehenden Krankheiten Vorbehalte angebracht. Für Krankenversicherer sei es meist nicht attraktiv, Policen für Seniorinnen und Senioren anzubieten: «Der Markt spricht dagegen.» Mitte-Politikerin Schneider-Schneiter sie. Die ASO ist daneben mit mehreren Krankenkassen im Gespräch, um zu einem breiteren Angebot an privaten Produkten und besseren Konditionen zu gelangen. Gemäss Oggier wären Kollektivlösungen für einzelne Länder oder Regionen zu prüfen. Die Versicherer könnten einheitliche Vorgaben in Rahmenverträgen verankern und etwa Zuschläge für Vorerkrankungen festlegen. «So liesse sich der Versicherungsschutz mindestens teilweise zeitnah erhöhen», sagt er. Deutlich aufwändiger ist es, auf politischem Weg gesetzliche Anpassungen zu erreichen. Zumal die Regierung derzeit keinen Handlungsbedarf sieht. Schneider-Schneiter ist dennoch zuversichtlich: «Mein Vorstoss ist breit abgestützt, er hat gute Chancen, angenommen zu werden.» Der Vorstoss im Wortlaut: www.revue.link/ess Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4 Politik

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