THEODORA PETER Drei Monate nach dem überraschenden Volksentscheid zugunsten einer 13. AHV-Rente blieb diesmal an der Urne eine weitere sozialpolitische Sensation aus. Obwohl viele Haushalte unter der Last hoher Krankenkassenprämien ächzen (siehe «Revue» 3/2024), wollte eine Mehrheit der Stimmenden nichts vom Ausbau der Verbilligungen wissen. Die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP wäre vor allem Geringverdienenden zugutegekommen, die heute mehr als 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkasse ausgeben. Das Volksbegehren stiess in der Romandie und im Tessin auf viel Zuspruch – dort sind die Prämien höher als in anderen Regionen. Doch die Deutschschweizer Kantone (siehe Karte) und mit ihnen die Mehrheit der Stimmenden, 55,5 Prozent, legten ihr Veto ein. Die Gegnerinnen und Gegner hatten in der Kampagne insbesondere vor den Folgekosten in Milliardenhöhe gewarnt. Die Auslandschweizerinnen und -schweizer unterstützen ihrerseits vergeblich das Ja-Lager: Sie stimmten der Vorlage knapp zu. Noch deutlicher scheiterte die zweite Abstimmungsvorlage zu den Gesundheitskosten: Mit 62,8 Prozent Nein scheiterte die sogenannte «Kostenbremse im Gesundheitswesen»; auch die Auslandschweizerinnen und -schweizer waren dagegen. Lediglich fünf Kantone stellten sich hinter die Initiative der Mitte-Partei. Diese erhoffte sich vom Instrument der Kostenbremse mehr Druck für effektive Kostensenkungen. Eine Mehrheit der Stimmenden befürchtete jedoch, dass ein solches Rezept zu einer Zwei-Klassen-Medizin führen könnte. Ganz ohne Folgen bleiben die abgelehnten Initiativen indes nicht. In beiden Fällen treten jetzt sogenannt indirekte Gegenvorschläge in Kraft, welche das Parlament bereits früher beschlossen hatte. So müssen Kantone, die bislang wenig in Prämienverbilligungen investieren, künftig mehr Geld dafür ausgeben – jedoch deutlich weniger als dies die Initiative verlangt hätte. Und statt einer Kostenbremse muss der Bundesrat künftig alle vier Jahre Kosten- und Qualitätsziele für den Gesundheitsbereich festlegen. Damit soll nicht zuletzt transparenter werden, welche Kosten medizinisch gerechtfertigt sind. Das ist aus Sicht von Gesundheitsökonomen ein Schritt in die richtige Richtung, doch stellen sich mit der demografischen Entwicklung weitere Herausforderungen. Die Generation der sogenannten Babyboomer befindet sich im Pensionsalter und wird mit steigendem Alter mehr Kosten für Arztbesuche oder Spitalaufenthalte verursachen. Volk will bestmögliche Versorgung Die teure Gesundheitsversorgung bleibt eine der grössten finanziellen Sorgen der Schweizer Bevölkerung. innert 20 Jahren haben sich die Krankenkassenprämien mehr als verdoppelt, und für 2025 droht eine weitere Erhöhung. Die verschiedenen Akteure konnten sich bislang nicht auf Reformen einigen, welche diese Entwicklung stoppen. Die Initiativen scheitern, doch die Sorgen bleiben Die Schweizer Stimmberechtigten lehnten am 9. Juni 2024 zwei Volksinitiativen ab, die unterschiedliche Rezepte gegen die sehr hohen Gesundheitskosten propagierten. Das ungelöste Problem wird die Politik auch weiterhin beschäftigen. Kostenbremseinitiative 0 5 1015202530354045 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 38.2% Auf eine Ablehnung von 62,8 Prozent stiess die Initiative der Mitte, die eine Kostenbremse im Gesundheitswesen installieren wollte. Nur fünf Kantone stellten sich hinter ein solches Instrument zur Regulierung steigender Ausgaben. Das Votum der Fünften Schweiz: ebenfalls Nein. Auslandschweizer:innen Ja-Stimmen in Prozent zur «Kostenbremseinitiative» Prämienentlastungsinitiative 0 5 1015202530354045 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 50.9% Das Volksbegehren der SP fand keine Mehrheit: 55,5 Prozent der Stimmenden sowie die Mehrzahl der Kantone sagten Nein. Einzig die lateinischen Kantone unterstützten die Forderung nach einer Deckelung der Prämien. Ja votierten auch die Auslandschweizerinnen und -schweizer. Auslandschweizer:innen Ja-Stimmen in Prozent zur «Prämienentlastungsinitiative» Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4 18 Politik
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