Schweizer Revue 4/2024

Aus dem Bundeshaus In prachtvoller Uniform in Blau-Rot-Gelb, die Farben der Familie Medici, und mit erhobenem Haupt stehen die jungen Männer mehrere Stunden am Tag vor dem Domus Sanctae Marthae, um das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zu bewachen. Gesamtbevölkerung im Vatikan beträgt rund 800 Personen, wovon 135 Mitglieder der Schweizergarde sind. Doch warum sind es ausgerechnet Schweizer Bürger, die den Heiligen Stuhl bewachen? Welche Besonderheiten zeichnen die Schweizergarde als Auslandschweizergemeinschaft aus? Der geschichtliche Hintergrund Die Schweizergarde hat ihre Anfänge im 16. Jahrhundert, als die Schweiz für ihre tapferen Krieger in ganz Europa bekannt war. In einer Zeit voller Kriege und Unruhen in Europa hatten Schweizer Söldner einen sehr hohen Stellenwert und waren ein wichtiges «Exportprodukt». Obschon damals in der Schweiz kein zentralisiertes Militär vorhanden war, wussten die Fusssoldaten genau, wie sie ihre Gebiete gegen die Begehrlichkeiten der umliegenden Herrschaftshäuser zu schützen haben. Schweizer Söldner wurden zum Beispiel von der mächtigen Familie Zurlauben (Zug) vom 16. bis im 18. Jahrhundert an ausländische Heere vermittelt. So kam es, dass auch Papst Julius II im Jahr 1505 Schweizer Söldner zu seinem Schutze anheuern wollte. Also hat er bei der Versammlung von Abgesandten der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Kontingent von Schweizer Soldaten zum Schutze des Vatikans beauftragt. Am 22. Januar 1506 zogen die ersten 150 Gardisten in Rom ein und empfingen den Segen des Papstes. Das war der Gründungstag der Päpstlichen Schweizergarde, welche von da an die Leib- und Palastwache des Papstes wurde. Damit ist die Pontificia Cohors Helvetica die einzige Truppe aus der Zeit der fremden Dienste, die bis heute überlebt hat. Grossen Ruhm erlangte sie am 6. Mai 1527, als Rom von 24000 deutschen, spanischen und italiDie Schweizergarde, eine jahrhundertealte Auslandschweizergemeinschaft im Vatikan Haben Sie gewusst, dass der Papst schon seit mehr als 500 Jahren von jungen Schweizer Bürgern bewacht wird? Von den 160 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern im Vatikan haben fast alle einen Bezug zur Schweizergarde. enischen Söldnern angegriffen und geplündert wurde – dem sogenannten «Sacco di Roma». Die Schweizergardisten stellten sich den Angreifern entgegen und verschafften Papst Clemens VII Raum und Zeit zur Flucht. Nur 42 von 189 Gardisten überlebten. Der Papst verdankte sein Leben der Schweizergarde. Noch heute werden die neuen Rekruten jeweils am 6. Mai vereidigt, am Gedenktag des «Sacco di Roma». Die heutigen Aufgaben der Päpstlichen Garde Im Laufe der Jahre hat sich die Rolle der Garde nicht gross verändert. Die heutigen Gardisten müssen wachsam den Papst vor neuen Gefahren beschützen, etwa vor terroristischen Gefahren. Im Fall einer Papstvakanz (Sedisvakanz) ist die Schweizergarde zudem für den Schutz des Kardinalkollegiums zuständig. Die Garde bewacht auch die offiziellen Eingänge zum Vatikanstaat und leisten Ordnungs- und Ehrendienste. Im Rahmen ihrer Repräsentationsaufgaben steht die Garde ausserdem bei Staatsempfängen zur Verfügung. Ein Grund, weshalb der Papst über die Jahrhunderte hinweg und trotz diplomatischer Herausforderungen in den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl an der Garde festhielt, sind ihre Werte. Respekt, Disziplin, Professionalität und hochwertige Qualität zeichnen die Gardisten aus. Die Schweizergardisten werden sowohl in der Schweiz wie auch im Vatikan ausgebildet. Zur Ausbildung gehören regelmässiges Schiesstraining, Kampfsport sowie der Umgang mit der Lanze. Eine besondere Auslandschweizergemeinschaft Nicht jeder kann Gardist werden. Um als Gardist in Frage zu kommen, muss man ein praktizierender Katholik sein, Schweizer Bürger, männlich, ledig, zwischen 19 und 30 Jahre alt, mindestens 174 cm gross, gesund, über eine Berufslehre oder Matura verfügen, die Rekrutenschule abgeschlossen haben sowie den Führerausweis der Kategorie B Ein Offizier der Schweizergarde auf einem Kupferstich von Francisco Villamena (1613): In den Grundzügen hat sich der Gardist seither kaum verändert. Foto Keystone Bundesrat Ignazio Cassis anlässlich der Eröffnung der Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl, 2023. Links von ihm Kardinal Pietro Parolin, dazwischen der damals für den Heiligen Stuhl zuständige Schweizer Botschafter Denis Knobel. Foto Keystone 32 Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4

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