Schweizer Revue 4/2024

Landwirte machen gut zwei Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung aus. Der Anteil der Bauernvertreter im Parlament – aktive Landwirte und Funktionäre – beläuft sich hingegen auf rund ein Sechstel. sen, findet er. Das sei letztlich der Grund, warum die Landwirte so aufgewühlt seien – und zwar alle zusammen, auch wenn sie sich in anderen Themen uneins sind: industriell produzierende Grossbauern, Bio-Bauern, Bergbauern. Allerdings erstaunt zumindest auf den ersten Blick, warum die Schweizer Bauern ihre Anliegen in Form von fotogenen Protesten auf die Strasse bringen. Denn im Unterschied zu anderen Ländern ist ihr Einfluss im politischen Machtzentrum, dem Bundeshaus, gross. Sehr gross. Die Bauernlobby Obschon die Landwirte eine wirtschaftliche Randgruppe sind und bloss 0,6 Prozent des Bruttosozialprodukts der Schweiz erwirtschaften, wird ihre Branche gestützt, geschützt und umsorgt wie keine zweite. Mit tätsinitiative zur Abstimmung kommt. Aus Sicht des Bauernverbands ein «extremer Vorstoss». Den Gegenvorschlag des Bundesrats hat die von Ritter orchestrierte Bauernlobby bereits im Parlament abgeblockt. Das Bürokratiemonster Allerdings verhindert dieses strategische Geschick im Bundeshaus nicht, dass die Bauern mehr und mehr in Bedrängnis geraten. Sich ein Gesamtbild zu verschaffen, ist schwierig. Die Probleme eines durchmechanisierten Hochleistungsbetriebs im Mittelland sind nicht die gleichen wie diejenigen eines kleinen Bergbauernhofs in exponierter Hanglage. Was man aber in der Summe sagen kann: Bauern arbeiten viel und verdienen wenig. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt gemäss Erhebungen deutlich über 50 Stunden, der berechnete Stundenlohn liegt unter 20 Franken. Viele Bauernfamilien gehen deshalb auf dünnem Eis. Sie schlagen sich durch, weil sie auf dem Hof, den sie vielleicht von ihren Eltern günstig übernommen haben, wohnen und keine Miete zahlen. Sie erwirtschaften aber zu wenig, um investieren zu können. Muss das Haus saniert werden, kann das gleichbedeutend sein mit dem Ende des Betriebs. Zumal die Landwirte immer mehr Zeit im Büro beim Ausfüllen von Forimportierter Landwirtschaftsprodukte geschlagen werden, den Schweizer Agrarsektor. Dieser Schutz vor dem Wettbewerb ist auch darum möglich, weil die Bauernlobby in der nationalen Politik nach den letzten Wahlen im Herbst 2023 noch einmal stärker geworden ist. Paradoxerweise trotz anhaltendem Rückgang der Zahl der Bauernbetriebe. Landwirte machen gut zwei Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung aus, der Anteil der Bauernvertreter im Parlament – gemeint sind damit aktive Landwirte und Funktionäre – beläuft sich hingegen auf rund ein Sechstel. Nationalrat Markus Ritter (die Mitte), Präsident des Bauernverbandes, gehört zu den einflussreichsten Parlamentariern. 2022 gelang ihm ein Coup: Er schloss eine Allianz mit den grossen Wirtschaftsverbänden und sicherte sich damit Unterstützung für den Kampf gegen populäre linke Volksinitiativen, die den Bauern mehr Ökologie verordnen wollen. Der nächste Showdown steht am Abstimmungswochenende vom 22. September 2024 bevor, wenn die von Grünen und Landschaftsschützern lancierte BiodiversiMilliarden von Franken. Die wichtigsten zwei Zahlen: 2,8 Milliarden Franken pro Jahr fliessen aus den Steuereinnahmen des Staates als Direktzahlungen für ökologische Leistungen an die Bauern. Zusätzlich schützen Zölle in der Höhe von jährlich gut drei Milliarden Franken, die auf die Preise Ob abgelegene Einzelhöfe oder industrielle Mastbetriebe: Im Schnitt arbeiten Bauern viel und verdienen wenig. Fotos Keystone Anspruchsvolle Konsumentinnen und Konsumenten: Sind sie auch bereit, faire Preise zu zahlen? Foto Keystone Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4 6 Schwerpunkt

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