Ukraine-Konferenz in der Schweiz endet mit sehr überblickbarem Ergebnis Sie gilt als das grösste diplomatische Treffen, zu dem die Schweiz je eingeladen hat: die Ukraine-Konferenz vom 15. und 16. Juni 2024 im Luxusresort Bürgenstock hoch über dem Vierwaldstättersee. Auf Initiative der Schweiz versammelten sich hier Delegationen aus über 90 Ländern, mit dabei unter anderen die Staatschefs aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Kanada, Spanien sowie US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Bereits im Vorfeld der Konferenz dämpften Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis in der Gastgeberrolle die Erwartungen (und änderten den Namen des Gipfels von «Friedenskonferenz» auf «Konferenz zum Frieden in der Ukraine»). Die Schlusserklärung der Konferenz war zumindest ein klarer Positionsbezug, spricht sie doch von «Russlands Krieg gegen die Ukraine», nennt also Russland ausdrücklich den Aggressor. Das Schlussdokument fordert weiter die Beachtung der Souveränität der Ukraine und die Sicherung des durchs Kriegsgeschehen gefährdeten Atomkraftwerks Saporischja. Es hält zudem fest, Angriffe auf die ukrainischen Getreideexporte seien nicht hinnehmbar, denn die Ernährungssicherheit dürfe «in keiner Weise zur Waffe werden». Die Bilanz von Bundespräsidentin Viola Amherd: «Wir haben erreicht, was zu erreichen war.» Eher als Rückschlag für die Schweiz als Gastgeberin und diplomatische Akteurin werteten politische Beobachter unmittelbar nach der Konferenz, dass nicht alle Delegationen das Schlussdokument mittragen wollten. Zwölf der teilnehmenden Länder unterzeichneten die Charta nicht. Es fehlen insbesondere die Unterschriften von Indien, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien und Südafrika. Einige dieser Länder könnten angesichts ihrer intakten Beziehungen zu Russland eine Vermittlerrolle einnehmen. So war unmittelbar vor dem Treffen in der Schweiz spekuliert worden, Saudi-Arabien werde womöglich eine Folgekonferenz ausrichten – unter Einbezug Russland. Die Schlusserklärungen und das offizielle Bürgenstock-Schlussdokument liessen dies aber gänzlich offen. (MUL) Das Schlussdokument der Bürgenstock-Konferenz (ausschliesslich in englischer Sprache vorliegend): www.revue.link/summit Die Schweiz erhöht ihre Armeeausgaben Durchaus in Zusammenhang mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine steht der Entscheid des Bundesrats, die Ausgaben für die Schweizer Armee zu erhöhen. Er präsentierte im Februar ein Paket von insgesamt über 30 Milliarden Franken für die nächsten vier Jahre. Im Juni hat nun der Ständerat klargemacht, dass er die Armeeausgaben schneller und stärker erhöhen will, und zwar um rund vier Milliarden. Zusätzlich will er mehr Geld für den rascheren Kauf von Luftabwehrsystemen einsetzen. Geht es nach der Mehrheit im Ständerat, soll ein wesentlicher Teil dieser zusätzlichen Ausgaben bei der Entwicklungshilfe eingespart werden. Gefallen sind die Würfel noch nicht: Erst kommt das Geschäft noch in den Nationalrat. (MUL) Mustafa Atici Er ist der erste Regierungsrat mit Migrationshintergrund im Kanton Basel-Stadt. Geboren 1969 in der Türkei, kam Mustafa Atici als 23-jähriger Student in die Schweiz. In Basel fand der türkische Kurde eine neue Heimat, gründete eine Familie und etablierte sich nach einem Wirtschaftsstudium als Gastro-Unternehmer. Seine Kebab-Filialen sind stadtbekannt und auch im Fussballstadion St. Jakob zu finden. Dort ist der bekennende FC-Basel-Fan an Match-Tagen anzutreffen. 2001 trat Atici der Sozialdemokratischen Partei (SP) bei und zog drei Jahre später ins Kantonsparlament ein, wo er fast 14 Jahre politisierte. 2019 schaffte er den Sprung in den Nationalrat, verpasste aber 2023 die Wiederwahl. Diesen Frühling eroberte Atici nun erstmals ein Regierungsmandat in seinem Heimatkanton. Als «Erfolg für die Vielfalt» bezeichnete Atici die Wahl. «In Basel sollte ein Mustafa nicht mehr auffallen.» Tatsächlich wohnen im Stadtkanton besonders viele Menschen ausländischer Herkunft. Für Atici war es keine Frage, sich einbürgern zu lassen. Er ermutigt andere, es ihm gleichzutun: «Wir leben hier, wir arbeiten hier, wir können mitgestalten.» Als Bildungsdirektor will er künftig noch mehr für die Integration tun. Bereits als Parlamentarier setzte er sich dafür ein, dass Kinder von Migrantinnen und Migranten noch vor der Einschulung die Landessprache lernen. Atici selber spricht Hochdeutsch mit hörbarem Akzent. Kritik, wonach sein Deutsch nicht fehlerfrei sei, nimmt er gelassen. Zu denken geben ihm vielmehr die Anfeindungen, die er im Wahlkampf wegen seiner Herkunft erlebte. So viel Hass sei ihm in 20 Jahren Politik noch nie begegnet, sagte er in Interviews. Das hat ihn getroffen, denn selbst fühlt er sich als Patriot: «Ich liebe Basel und die Schweiz.» THEODORA PETER Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4 8 Herausgepickt Nachrichten
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