Schweizer Revue 4/2024

CHRISTOF FORSTER Es war ein grosser Erfolg für die Klimaseniorinnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erklärte Anfang April 2024 ihre Beschwerde über weite Strecken für zulässig. «Das ist das Höchste, was wir eigentlich erwartet hätten, aber uns nicht trauten zu glauben», sagte Rosmarie Wydler-Wälti unmittelbar nach der Urteilsverkündung gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF. Das Projekt der Klimaseniorinnen wurde initiiert und finanziell unterstützt von Greenpeace. Die Strassburger Richter kamen zum Schluss, dass die Schweiz die Menschenrechte der Seniorinnen verletze, weil sie nicht genug gegen die Klimaerwärmung unternommen habe. Konkret geht es um Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Das Gericht hat diesen Artikel um den Klimaschutz erweitert. Staaten müssten mit geeigneten Massnahmen verhindern, dass die globalen Temperaturen ein solches Niveau erJubelnde Klimaseniorinnen und aufgebrachte Politiker Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugunsten der Klimaseniorinnen löste eine kontroverse Debatte in der Schweiz aus. In Europa wird es Umweltverbände zu ähnlichen Klagen gegen ihre jeweiligen Regierungen animieren. reichten, welches zu ernsthaften und irreparablen Auswirkungen auf die Menschenrechte führe. Die Strassburger Richter orteten kritische Lücken im nationalen Rechtsrahmen. So hätten es die Schweizer Behörden verpasst, die nationalen Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen anhand eines Kohlestoffbudgets zu quantifizieren. Zudem habe es die Schweiz in der Vergangenheit nicht geschafft, ihre CO₂-Ziele zu erreichen. Europäischer Präzedenzfall Beim Urteil handelt es sich um einen Präzedenzfall in Europa. Es ist das erste Mal, dass ein länderübergreifendes Gericht direkt einen Anspruch auf Klimaschutz gutheisst, der sich auf Menschenrechte beruft. Die 46 Staaten des Europarates könnten nun von ihren Bürgerinnen und Bürgern aufgefordert werden, ihre Klimapolitik zur Wahrung der Menschenrechte zu überprüfen und nötigenfalls auszubauen. Was das Urteil nun konkret für die Schweiz bedeuFür die Klimaseniorinnen – hier Rosmarie Wydler-Wälti mit Greta Thunberg – ist der EMRK-Entscheid «das Höchste». Für die Schweizer Politik ist das Urteil aber ein heisser Streitgegenstand. Foto Keystone Schweizer Revue / Juli 2024 / Nr.4 9 Nachrichten

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