Schweizer Revue 5/2024

EVELINE RUTZ Mittendrin und doch nicht dabei: Die Schweiz geht in Europa ihren eigenen Weg. Wenn sich Regierungsspitzen treffen, ist sie daher häufig nicht vertreten. Die Schweizer Bevölkerung ist der Europäischen Union (EU) gegenüber mehrheitlich skeptisch eingestellt, wie Umfragen regelmässig zeigen. Bemühungen, sich der EU anzunähern, haben politisch einen schweren Stand. Zu verbreitet ist die Angst, an Souveränität und Wohlstand einzubüssen. Einer Mehrheit scheint es daher zu genügen, dass die Schweiz auf der europäischen Politbühne eine Nebenner prächtigen Residenz in Strassburg. Er führt mehr als 1800 Mitarbeitende und verantwortet ein Budget von rund 625 Millionen Franken. Er ist für die strategische Planung des Europarates verantwortlich und übernimmt repräsentative Aufgaben. Nach der eher zurückhaltenden Kroatin, Marija Pejčinović Burić, tritt Berset mit einem klaren Führungsanspruch und grossem Gestaltungswillen an. Er will der Organisation, die sich für Menschenrechte einsetzt und auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) umfasst, mehr Gewicht geben. Seinem Heimatland dürfte Berset ebenfalls zu mehr Dank Alain Berset wird die Schweiz in Europa präsenter Premiere in Spitzenamt: Mit Alain Berset ist erstmals ein Schweizer Generalsekretär des Europarats. Berset will diesen stärken. Und er dürfte auch seinem Heimatland zu mehr Sichtbarkeit in Europa verhelfen. ein starkes Aushängeschild in einer führenden Organisation erhalten», so die Rechtsprofessorin. In dieser Schlüsselposition vertreten zu sein, habe für die Schweiz besondere Bedeutung, da sie nicht Mitglied der EU sei. Alain Berset bringe alles mit, um dem Europarat ein wichtiges Gesicht zu geben. Diese Art, in Europa mitzuwirken, ist breit abgestützt. Die Schweiz werde in ihrer Vermittlerrolle gestärkt, sagt SVP-Politiker Alfred Heer. Er präsidiert die Schweizer Delegation in der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PVER) und berichtet, dass ihr merklich mehr Respekt entgegengebracht werde. «Es ist immer hilfreich, wenn man einen Landsmann an der Spitze hat.» Heer betont jedoch, dass der Generalsekretär dem Europarat als Ganzes und damit 46 Staaten verpflichtet sei. Dass Berset nicht aus einem EU-Land kommt, bezeichnet er als Vorteil: «Ich hoffe doch sehr, dass der Europarat mit Alain Berset wieder eine aktivere Rolle spielen kann, wenn es um die Beilegung von Konflikten geht.» Bersets Priorität: die Ukraine Wie Berset als neuer Generalsekretär wiederholt betonte, will er der Unterstützung der Ukraine Priorität einräumen. «Die ihr zugefügten Schäden müssen kompensiert werden», sagt er. Um die Entschädigungszahlungen dereinst berechnen zu können, möchte der Europarat die Folgen des russischen Angriffs dokumentieren. Berset will die Organisation insgesamt stärken. Er will gegen Desinformation und die Manipulation von Informationen vorgehen, die dank Künstlicher Intelligenz neue Formen angenommen hat. Anlässlich seiner Wahl sprach er von der grossen Verantwortung, die er übernehme. Der EuropaBegegnung mit dem Nachfolger: Anlässlich eines Besuchs in der Schweiz traf die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcˇinovic´ Buric´ im September 2023 den damaligen Bundespräsidenten Alain Berset. Foto Keystone rolle spielt. Es ist daher bemerkenswert, wie im Frühjahr alle Parteien dafür geweibelt haben, dass der Ende 2023 aus dem Bundesrat zurückgetretene Sozialdemokrat Alain Berset Generalsekretär des Europarates wird. Von den Grünen bis zum rechten Rand der SVP war man sich einig: Man will die seltene Chance nutzen, diesen gewichtigen Posten zu besetzen. Die Premiere ist geglückt: Seit dem 18. September 2024 ist Alain Berset im Amt. Der 52-Jährige residiert in eiSichtbarkeit verhelfen. Nicht, weil er deren Interessen einbringen könnte. Sondern als Vertreter einer Nation, die in Konflikten vermittelt und auf ihre Tradition der «Guten Dienste» stolz ist. Schweizer Art, in Europa mitzuwirken Die Schweiz werde in Europa weniger isoliert sein, sagt Helen Keller, die als Richterin am EGMR tätig war. «Sie hat Schweizer Revue / Oktober 2024 / Nr.5 12 Politik

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