Schweizer Revue 5/2024

herausgefordert war er während der Corona-Pandemie. Als Gesundheitsminister stand er von Beginn weg im Rampenlicht. Für die im internationalen Vergleich moderaten Einschränkungen des öffentlichen Lebens erntete er – wie der gesamte Bundesrat – viel Lob. Gleichzeitig sah er sich mit heftiger Kritik aus jenen Kreisen konfrontiert, die sich etwa gegen Kontaktbeschränkungen oder das Tragen von Hygienemasken wehrten. Berset sah sich in seiner Amtszeit zudem mit einem Erpressungsversuch einer ehemaligen Geliebten konfrontiert. Im Sommer 2022 erregte er mediale Aufmerksamkeit, als er auf einem privaten Flug mit einer Cessna 182 in Frankreich von zwei Kampfjets abgefangen wurde. Zu all diesen «Affären» musste sich der SP-Politiker unbequeme Fragen stellen lassen, die er selbstbewusst parierte. Sein nonchalantes Auftreten, wie es Kritiker und Kritikerinnen bezeichneten, mag Berset einige Sympathiepunkte gekostet haben. Sein Image blieb insgesamt jedoch positiv. Die Bevölkerung stufte ihn auch in seinem letzten Amtsjahr als einflussreichstes Mitglied des Bundesrates ein. Für eine starke Figur sprach sich nun auch die PVER aus. Die Herkunft spiele immer eine Rolle, sagte Alain Berset dem «Tages-Anzeiger». Er habe sich als Freiburger in den Bundesrat eingebracht und werde sich nun als Schweizer im Europarat einbringen. Übrigens: Die Kritik am Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall der Schweizer Klimaseniorinnen (siehe «Schweizer Revue» 4/2024) teilt er nicht. Die Schweiz habe die Menschenrechtskonvention ratifiziert und sei verpflichtet, Entscheide des Gerichtshofs in Strassburg umzusetzen, sagt Berset. Und: «Wir liegen im Zentrum von Europa, und unsere Werte sind auch die europäischen.» rat engagiere sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. «Das sind die Werte, die unseren Kontinent stabil machen, und dafür müssen wir uns jeden Tag engagieren.» Er hat ein Faible für grosse Auftritte Berset bewegt sich auf dem internationalen Parkett souverän. Er ist charismatisch, eloquent und selbstsicher. Als Jugendlicher feierte er im Laufsport zahlreiche Erfolge und wurde Westschweizer Meister über 800 Meter. Ebenso zielstrebig verfolgte der Freiburger seine politische Karriere. 2003 wurde er mit 31 Jahren – und damit als jüngstes Mitglied – in den Ständerat gewählt. 2011 schaffte er die Wahl in den Bundesrat. Als Vorsteher des Innendepartements war Berset unter anderem für das Gesundheitswesen und die Sozialpolitik zuständig. 2018 und 2023 präsidierte er die Landesregierung und vertrat sie auf höchster Ebene. Spätestens da zeigte sich, dass Berset die grossen Auftritte liegen. Etwa beim Staatsbesuch des französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, in Bern oder bei Auftritten neben Donald Trump und Olaf Scholz. Mit dem Etikett «Schweizer Staatsmann» konnte der Romand im Rennen um den Posten des Generalsekretärs denn auch punkten: Seinen Mitbewerbern Indrek Saar (Estland) und Didier Reynders (Belgien) fehlten entsprechende Erfahrungen. Berset ist krisenerprobt. Besonders Er räumt der Zukunft der Ukraine grösste Priorität ein. Das versicherte Berset bereits vor seiner Wahl zum Generalsekretär. Foto Keystone Wie man Berset in der Schweiz in Erinnerung behält: Selten war der Magistrat ohne seinen Borsalino unterwegs. Besonders während der Corona-Pandemie wurde der Hut zu seinem Markenzeichen. Foto Keystone Schweizer Revue / Oktober 2024 / Nr.5 13

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx