9 SUSANNE WENGER Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) warnt und mahnt unablässig. «Die Bundesfinanzen sind aus dem Lot», sagte die Bundesrätin schon Anfang Jahr. Beim Budget fürs kommende Jahr, das sie vor den Sommerferien vorlegte, wird der Bundeshaushalt schon mal um über 2 Milliarden Franken entlastet. Verschiedene kurzfristige Massnahmen tragen dazu bei, unter anderem lineare Kürzungen quer durch die Departemente (die auch die «Schweizer Revue» zu spüren bekommt, siehe Seite 33). Dass der Voranschlag 2025 – bei Einnahmen von 85,7 Milliarden Franken und Ausgaben von 86,5 Milliarden Franken – nur ein geringes Defizit aufweist, ist zudem höher geschätzten Einnahmen aus der Bundessteuer zu verdanken. Doch laut Keller-Sutter geht das Sparen jetzt erst richtig los. Ab dem Jahr 2027 drohen gemäss bundesrätlichem Finanzplan strukturelle Defizite von 2,5 Milliarden Franken. Strukturell heisst: Die Fehlbeträge sind nicht konjunkturbedingt. Dies aber verletzt laut der Finanzministerin die Schuldenbremse, die die Schweiz 2003 per Volksentscheid eingeführt hat. Sparen – aber wo? Verantwortlich für die nun drohenden roten Zahlen sei «das hohe Ausgabenwachstum», betont Keller-Sutter. Es müsse gebremst werden. Doch wo konkret? Zwei Drittel der Bundesausgaben sind gesetzlich gebunden, und einflussreiche Lobby-Gruppen im Parlament wissen das eigene Gärtchen erfahrungsgemäss vor Kürzungen zu schützen. Die Parteien sind sich zudem uneins, wie rigide die Schuldenbremse gelten soll. Während bürgerliche Kräfte sich für eine strikte Haushaltsdisziplin einsetzen, sieht die Linke Spielraum. Fest steht: Die Schuldenquote der Schweiz, also das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt, ist in der Corona-Pandemie wieder angestiegen. Doch in den zwanzig finanziell stabilen Jahren davor waren Schulden nicht nur vermieden, sondern sogar abgetragen worden. Die hiesige Schuldenquote bleibt im internationalen Vergleich tief. Dem gescholtenen Ausgabenwachstum stünden ausserdem Werte gegenüber, kontern Keller-Sutters Kritiker: soziale Sicherheit, eine gute Infrastruktur. Entwicklungshilfe im Visier Über all dies wird in Bundesbern seit Monaten kontrovers diskutiert, inklusive parlamentarischer Schnellschüsse und fehlgeschlagener Tauschgeschäfte, auch «Kuhhandel» genannt. Weltbilder prallen aufeinander, geht es doch stark auch um die internationale Sicherheitslage und Zusammenarbeit. Inmitten von Sparappellen will die Parlamentsmehrheit die geplante Erhöhung des Armeebudgets um vier Milliarden Franken schon bis 2030 umsetzen, rascher als ursprünglich beabsichtigt. Denn das sicherheitspolitische Umfeld habe sich vorab durch den UkraineKrieg verschlechtert. Geht es nach dem Willen des Ständerats, sollen die Mehrausgaben zur Hälfte bei der Entwicklungshilfe kompensiert werden. Diese habe in den letzten Jahren mehr Geld erhalten, lautete die Begründung, zudem seien nicht alle ihre Projekte wirksam. Grosses Feilschen um Milliardensummen Die Armee soll mehr Geld erhalten. Gleichzeitig will der Bund sparen, weil in den nächsten Jahren Defizite erwartet werden. In der Schweiz wird gerade hart um die Bundesfinanzen gerungen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter in der Rolle der Mahnerin: Das Sparen, sagt sie, gehe erst richtig los. Foto Keystone Geld umlagern von den Ärmsten zur Armee: Das würde umso stärker ins Gewicht fallen, als der Bundesrat seinerseits vorsieht, in den nächsten vier Jahren einen Teil der Hilfsgelder für die Ukraine bei der Entwicklungshilfe abzuzwacken. So stiess der ständerätliche Entscheid vom Juni auf breite Kritik, nicht nur bei der Linken und Entwicklungsorganisationen, auch etwa bei der Gesellschaft für Aussenpolitik und der Staatssekretärin für Wirtschaft. Entwicklungszusammenarbeit sei ebenso Teil einer weitsichtigen Sicherheitspolitik, wird argumentiert. Die weltweite Solidarität der Schweiz stehe auf dem Spiel. Heisser Finanzherbst In der Herbstsession im September wollte der Nationalrat über das Armee-Geschäft befinden (nach Redaktionsschluss der «Schweizer Revue»). Zudem sollten im Hinblick auf die Haushaltssanierung Vorschläge einer vom Bundesrat eingesetzten externen Gruppe von Expertinnen und Experten auf den Tisch kommen. Diese durchforstete seit dem Frühling sämtliche Aufgaben und Subventionen des Bundes. Vom Bund einberufene Runde Tische folgen, und in der Wintersession des Parlaments im Dezember werden die wichtigen Entscheide fallen. Die Schweiz erlebt einen heissen Finanzherbst und -winter. Der Beitrag gibt den Stand der Dinge bei Redaktionsschluss am 26. August 2024 wieder. Schweizer Revue / Oktober 2024 / Nr.5 Nachrichten
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