Schweizer Revue 1/2025

das bei überregionalen und nationalen Titeln am Erodieren ist, also die Mischfinanzierung aus Abo- und Inserateneinnahmen», erklärt der Medienjournalist Nick Lüthi. Das liege daran, dass es für Leserschaft und Inseratenkunden keine Alternativen gibt und diese Medien weiterhin einen Service public bieten, der geschätzt und genutzt wird: «Die Tamedia-Zeitungen gehen schon länger nicht mehr so in die Tiefe, wie das ein ‹Unter-Emmentaler› leisten kann», sagt der Branchenkenner. Zudem erreichten der Dorfmetzger und der Hofladen ihr Publikum mit einem Inserat in der Zeitung besser als mit einer Kampagne auf Online-Kanälen. «Wichtige Rolle» Politikerinnen und Politiker bedauern die Ausdünnung der Lokalberichterstattung durch Tamedia in ihrer Region. Sie begrüssen umso mehr, dass der «Unter-Emmentaler» über das Geschehen in ihren Gemeinden schreibt. «Er berichtet über Anlässe, Ereignisse und behördliche Informationen, die sonst nicht mehr an die Bevölkerung gelangen würden», sagt Langenthals Stadtpräsident Reto Müller. Kritisch sieht er einzelne personelle Verflechtungen mit Ortsparteien und einem Sportklub. Ein Verzicht auf direkte Verbindungen wäre für ihn wünschenswert. Für Hans Peter Baltensperger, den langjährigen Gemeindepräsidenten von Wyssachen, erfüllt der «Unter-­ Emmentaler» eine «extrem wichtige Rolle». Ohne diesen käme die kleine Gemeinde medial kaum mehr vor, doch Lokalpolitik setze informierte Bürgerinnen und Bürger voraus. Das Weltgeschehen erfährt man über grosse Medien, «für lokale Informationen braucht es die Lokalzeitung». Baltenspergers Transportunternehmen unterstützt aus Solidarität lokale Vereine bei der Inseratenwerbung, was dem «Unter-Emmentaler» zugute kommt. «Lokales Kulturgut» Bei Schürch Druck & Medien ist man zuversichtlich: Das Geschäftsmodell der gedruckten Zeitung wird noch länger funktionieren. Es sollte möglich sein, unter den rund 45000 Einwohnerinnen und Einwohnern des Einzugsgebiets mindestens zehn Prozent Abonnentinnen und Abonnenten bei der Stange zu halten, sagt Walter Ryser. Auch Jüngere wenden sich wieder vermehrt den Traditionen zu, stellt er fest, und fügt an: «Der 150-jährige ‹Unter-Emmentaler› ist ein lokales Kulturgut.» Eines, das sich auch ausgewanderte Emmentalerinnen und Oberaargauer zuschicken lassen: Das Blatt aus Huttwil hat Abos weltweit. «Einladung zum Abonnement»: Im Archiv finden sich die ersten Ausgaben der Zeitung, die seit 1875 erscheint. Foto Susanne Wenger Auch junge Online-Medien füllen die Lücke Vor allem in urbanen Regionen springen neue Online-Medien in die lokaljournalistische Lücke, die die grossen Verlage hinterlassen: Unabhängige Portale wie «hauptstadt.be», «tsüri.ch», und «bajour.ch» wollen die Medienvielfalt an ihren Orten erhalten. Die Neugründungen bauen Communitys auf, die die redaktionellen Inhalte zum grossen Teil mit Abos finanzieren. Stiftungen leisten Anschubfinanzierungen. Doch tragfähige Erlöse zu erwirtschaften, ist anspruchsvoll. 2022 lehnte das Schweizer Volk ein Gesetz mit neuen Förderinstrumenten ab, von denen auch Online-Medien profitiert hätten. Dabei bleibt es, wie das nationale Parlament in der Wintersession 2024 beschlossen hat. Stattdessen wird wahrscheinlich die bisherige indirekte Presseförderung via Posttaxen aufgestockt. Dies auch, weil die Regional- und Lokalpresse für die Demokratie wichtig sei. (SWE) Bern: www.hauptstadt.be Zürich: www.tsüri.ch Basel: www.bajour.ch www.unter-emmentaler.ch Schweizer Revue / Januar 2025 / Nr.1 18 Gesellschaft

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