Ihre früheren Betreiber gingen Konkurs und hinterliessen nebst Schulden auch Ruinen inmitten von Naturlandschaften. Immer wärmere Winter Auch für die höher gelegenen Wintersportgebiete werden die steigenden Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten zur grossen Herausforderung. Klimaforschende der ETH Zürich haben im Auftrag der Bergbahn-Branche und von Schweiz Tourismus Prognosen für die Winter bis ins Jahre 2050 erstellt. Demnach wird sich der Schneemangel in den nächsten Jahrzehnten für alle Skigebiete unter 1500 Metern verschärfen. Seit Messbeginn 1864 sind die Winter in der Schweiz um 2,4 Grad wärmer geworden, konstatiert ETH-Klimaforscher Reto Knutti: «Bis 2050 erwarten wir gegenüber heute eine weitere Erwärmung von einem Grad Celsius.» Je nach Entwicklung der CO₂-Emissionen kann dieser Wert um ein oder mehrere Zehntelgrade schwanken – mit entsprechend kleineren oder grösseren Auswirkungen. Nimmt die Temperatur im Winter wie prognostiziert um ein Grad Celsius zu, steigt auch die Nullgradgrenze an – und zwar um 300 Meter. Die Nullgradgrenze ist eine wichtige Kennzahl für den Wintertourismus: Sie zeigt an, ab welcher Höhe Niederschlag als Schnee vom Himmel fällt. Bereits seit den 1960er-Jahren hat sich diese Grenze um 300 bis 400 Meter nach oben verschoben – mit fatalen Folgen für die Skilifte im Tal. Eng wird der Spielraum gemäss dem Klimaforscher in Zukunft für diejenigen Skigebiete, deren Lifte nicht über eine Höhe von 1800 Metern hinausführen. Für sie ist auch die Herstellung von Kunstschnee schwierig: Die Schneekanonen laufen nur bei Temperaturen unter null Grad. Gemäss den Klimaprognosen nimmt aber die Zahl dieser Eistage ab – je nach Höhenlage um 10 bis 30 Prozent. «Insbesondere zum Winteranfang, also von Mitte November bis Mitte Dezember, wird es zu warm sein zum Beschneien», gibt Knutti zu bedenken. Noch mehr Kunstschnee Zwar liegen zahlreiche Wintertourismusdestinationen in den Alpen oberhalb der kritischen Grenze von 1500 Metern. Doch auch sie müssen ihre Strategien aufgrund des Klimawandels anpassen. Gemäss einer Umfrage der Universität St. Gallen bei 100 Bergbahnen rechnen über 75 Prozent für die nächsten 20 Jahre mit weniger Schneesicherheit und einer kürzeren Wintersportsaison. Dennoch gehen die meisten Betreiber davon aus, dass Skifahren und Snowboarden auch künftig beliebt bleiben. Sie investieren deshalb noch stärker in Der Mythos der Skination Schweiz «Alles fährt Ski ... alles fährt Ski ... Ski fährt die ganze Nation»: Der eingängige Schlager von Vico Torriani aus dem Jahr 1963 gehört zur Begleitmusik des Skibooms, der in den 1960er- und 1970er-Jahren seinen Höhepunkt erreichte. Dass sich Skifahren in der Schweiz als Breitensport etablieren konnte, hing entscheidend mit dem Angebot von Skiliften zusammen – nicht zuletzt in tiefen Lagen. Damals war der nächste Bügellift nicht weit weg, und fast jedes Schulkind fuhr regelmässig ins Skilager. Den Mythos der Skination Schweiz befeuerten auch die «Goldenen Tage von Sapporo». Bei den Olympischen Winterspielen 1972 in Japan gewann die Schweizer Delegation zehn Medaillen – unvergessen bleiben der Doppelsieg von Bernhard Russi und Roland Collombin in der Abfahrt sowie die beiden Goldmedaillen von Marie-Theres Nadig. «Wehrkräftiges Volk» durch Wintersport In der Schweiz waren es zunächst die Bergsteiger, welche die Skier für ihre Touren entdeckten, wie der Sporthistoriker Simon Engel in einem Blog des Nationalmuseums schreibt. 1893 wurde in Glarus der erste Skiclub gegründet, 1904 entstand der Schweizerische Skiverband. Anfänglich war das Skifahren vor allem ein Freizeitvergnügen für reiche Touristinnen und Touristen. Sportbegeisterte Briten aus der Oberschicht stürzten sich nach dem Prinzip «Downhill only» die Hänge hinunter. Dass Skifahren zum Schweizer Volkssport und damit «nationalisiert» wurde, hat gemäss dem Sporthistoriker mit den beiden Weltkriegen zu tun, die den internationalen Tourismus zum Erliegen brachten. Um mehr Schweizerinnen und Schweizer auf die Pisten zu bringen, flossen öffentliche Gelder – sowohl in die Rettung von Hotels und Bergbahnen wie auch in Rabatte für Tickets und Skischulkurse. Ab den 1940er-Jahren führten erste Kantone die jährlichen Sportferien ein, die zum Skifahren genutzt werden sollten. Auch die Armee unterstützte das nationale Projekt. Während dem Zweiten Weltkrieg beschrieb General Guisan unter dem Werbeslogan «Gesunde Jugend. Wehrkräftiges Volk durch Wintersport» die Berge und das Skifahren als ideales Feld, um die physische und moralische Stärke für die Landesverteidigung zu trainieren. Die konzertierte Propaganda- aktion erfüllte ihren Zweck: Die Gäste aus dem Unterland füllten Betten und Pisten in den Wintersportorten. (TP) Zum Blog des Nationalmuseums: www.revue.link/skifahren Erinnerung an die «goldenen Tage von Sapporo»: Der Schweizer Abfahrts-Olympiasieger Bernhard Russi (Nr. 4) und der Schweizer Olympiazweite Roland Collombin (Nr. 11) auf den Schultern von Fans an den Olympischen Winterspielen 1972. Foto Keystone Schweizer Revue / Januar 2025 / Nr.1 6 Schwerpunkt
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