Schweizer Revue 2/2025

Das kulinarische Erbe der Schweiz birgt Entdeckungen Eine neue, inspirierende Enzyklopädie präsentiert Hunderte kulinarische Spezialitäten aus verschiedenen Regionen der Schweiz und erzählt die Geschichten dahinter. Damit wertvolles Wissen nicht vergessen geht. Und weil ein Land sich auch über sein Essen erklärt, wie der Autor Paul Imhof betont. «nach nuancierten Rezepten», wie Imhof sagt: «Ein einstiges Produkt der ‹Cucina povera›, der Armenküche, ist zur gefragten Spezialität geworden.» Auf Spurensuche Warum und wie erforscht man ein kulinarisches Erbe? Vor 25 Jahren SUSANNE WENGER Der über 700 Seiten starke Band beschreibt 453 Produkte – vom Alpenbitter bis zum Zigerkrapfen. Was soll man hervorheben aus der Fülle? Fragen wir den Autor selbst. Paul Imhof nennt die «Chèvre», einen «Bauernchampagner» aus der Romandie, für ihn «eine wahre Entdeckung». Das mindestens drei Generationen alte Getränk wird heute noch von einzelnen Winzern vorab im Genfer Hinterland während der Weinlese hergestellt. Imhof besuchte einen von ihnen und liess sich zeigen, wie leicht angegorenem Traubensaft Reismehl, Traubenzucker, Schnaps und Vanilleschoten beigefügt werden. Die Mischung gärt mindestens einen Monat im Fass, das mit Stahlreifen gesichert ist – «sonst würde es explodieren». Pünktlich zu Silvester ist der ländliche Schaumwein fertig. Frisch gezapft, schiesst die weisse Flüssigkeit zischend aus dem Hahn, fast wie Ziegenmilch aus dem Euter, daher wohl der Name Chèvre. Eine weitere Trouvaille ist für Imhof der «Furmagin da Cion» aus dem Val Poschiavo, dem italienischsprachigen Tal im Kanton Graubünden. «Cion» bedeutet im Puschlaver Dialekt Schwein, «Furmagin» kleiner Käse. Doch handelt es sich nicht um ein Milchprodukt, sondern um eine deftige Fleischpastete. Früher stellte jede Familie während der Hofschlachtung ihren eigenen Furmagin her, aus Fleischresten, auch Innereien, und buk ihn wie einen Kuchen im Ofen. «From Nose to Tail», heute ein Trend, war damals selbstverständlich. Metzgereien im Puschlav produzieren den Furmagin noch immer, inzwischen «Die kulinarische Kraft der Schweiz liegt in den Regionen»: Hier eine kunstvoll arrangierte Genfer Auswahl, mit der «Chèvre» im Trinkglas. Fotos Echtzeit Verlag, ZVG Aus den Bündner Südtälern: Die Coppa-Wurst als altes Produkt der Hausschlachtung, und Pizzoccheri, Teigwaren aus Buchweizen- und Weizenmehl. Schweizer Revue / April 2025 / Nr.2 Gesellschaft 10

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